Die Vereinten Nationen warnen: Während viele Staaten den Konsum von Cannabis zunehmend entkriminalisieren oder gar legalisieren, steigt die Zahl von Menschen mit psychischen Erkrankungen aufgrund übermässigen Konsums in reichen Regionen wie Westeuropa oder Nordamerika.
Ein Drittel aller Drogenbehandlungen in Europa geht auf Cannabis-Missbrauch zurück, heisst es im am Montag veröffentlichten Bericht des UNO-Büros für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) unter anderem. Aktuelle Zahlen für die Schweiz gibt es nicht. Das dafür zuständige Bundesamt für Gesundheit hat letztmals im Jahr 2017 die Ergebnisse eines Monitorings publiziert. Jüngere Statistiken sucht man vergebens.
Marc Vogel ist Leiter des Abhängigkeitsbereichs der Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel (UPK). Er bedauert die fehlende Datenlage hierzulande. Gleichzeitig rät er jedoch dazu, den Bericht der Vereinten Nationen zu kontextualisieren. Die Organisation lege den Fokus nämlich eher auf die Strafverfolgung.
Experte wünscht sich Legalisierung
Beim Konsum habe sich hierzulande in den vergangenen Jahren nichts Grundsätzliches geändert. Bereits seit längerer Zeit stellen Fachleute leicht steigende Werte fest – insbesondere bei Jüngeren.
Übermässiger Cannabiskonsum kann schwerwiegende Folgen haben. Personen mit entsprechender Veranlagung können Schlaf- und Angststörungen, ADHS oder sogar Schizophrenien und Psychosen entwickeln. Gemäss Marc Vogel sind etwa 9 Prozent aller regelmässigen Konsumenten gefährdet, eine Abhängigkeit von Cannabis zu entwickeln.
Ob die erwähnten psychischen Störungen jedoch durch den Konsum verursacht wurden oder Betroffene sich mittels Cannabis selbst therapierten, kann häufig nicht abklärend gesagt werden – der Experte spricht von einer «klassischen Huhn-oder-Ei-Frage». Eine Vielzahl von Faktoren würde stattdessen darüber entscheiden, wie gefährdet jemand sei. Klar sei hingegen, dass die Kombination junges Alter und harter Stoff problematisch ist. In den Basler Kliniken liegt das Durchschnittsalter von Betroffenen denn auch bei Anfang 20.
Rund ums Thema Cannabis hat sich in den vergangenen Jahren viel getan. Besonders auf dem nordamerikanischen Kontinent wurden Gesetze liberalisiert. Kanada und einzelne Bundesstaaten in den USA erhalten im UNO-Bericht deshalb dementsprechend viel Platz.
Für den Schweizer Experten bieten diese Gebiete allerdings nur begrenzt Vergleichspotenzial mit der Schweiz. «Man hat dort stark markt- und kapitalorientiert liberalisiert», findet Marc Vogel. Die Folge sei gewesen, dass viele Nebenprodukte wie etwa essbare Cannabisprodukte («Edibles») auf den Markt kamen, welche aus verschiedenen Gründen problematisch seien.
Cannabis-Konsumenten wissen heute meist nicht, was sie kaufen.
Führt eine Cannabis-Legalisierung also gar zu mehr Folgeschäden? Nicht zwingend, findet Marc Vogel. Er und viele seiner Kolleginnen und Kollegen plädieren weiterhin für eine Legalisierung. Damit würden mehr Transparenz und Gesundheitsschutz im System verankert werden.
Der Suchtexperte macht einen Vergleich: «Stellen Sie sich vor, Sie legen ein Bier in den Einkaufskorb, haben aber keine Ahnung, ob Sie nun ein Alkoholfreies oder den Kornschnaps mit 70 Prozent gekauft haben: So ist das heute beim Cannabis.» Ein staatlich kontrolliertes Abgabesystem mit entsprechendem Jugendschutz könnte hier Abhilfe leisten.