Im kanadischen Bundesstaat British Columbia wird der Besitz von bis zu zwei Gramm harter Drogen vorübergehend entkriminalisiert. Ziel der Behörden ist es, Drogenabhängige weniger zu stigmatisieren. Drogenkonsum solle als gesundheitliches Problem betrachtet werden, und nicht als kriminelles. Thilo Beck, Co-Chefarzt Psychiatrie im Zürcher Zentrum für Suchtmedizin, sieht darin einen grossen Fortschritt.
SRF News: Wie beurteilen Sie den kanadischen Versuch aus medizinischer und wissenschaftlicher Sicht?
Thilo Beck: Es ist ein sehr begrüssenswerter Versuch in die richtige Richtung. Menschen, die psychoaktive Substanzen konsumieren und damit Probleme haben, sollen unterstützt werden. Jene, welche die Drogen problemlos konsumieren, sollen nicht länger beeinträchtigt werden.
Wie sind die Erfahrungen aus anderen Ländern, die einen ähnlichen Weg gehen – wie etwa Portugal?
Sie sind durchwegs positiv. Kriminalitätsrate und Rate des problematischen Konsums gehen eher zurück, wenn die prohibitiven Massnahmen aufgehoben werden. Wir müssen unbedingt in dieser Richtung weitermachen.
Jede verantwortungsvolle Lockerung im Sinne einer Regulierung macht Sinn.
Gibt es auch Risiken?
Man muss sehen: Das totale Verbot von Handel, Besitz und Konsum von Drogen ist ganz klar die risikoreichste Form der Marktregulierung. Jede verantwortungsvolle Lockerung im Sinne einer Regulierung macht deshalb Sinn.
Animiert eine Legalisierung von Kokain nicht zu einem noch stärkeren Konsum an?
In der Schweiz sind alle illegalen Drogen überall erhältlich. Jeder, der diese Substanzen konsumieren will, bekommt sie sehr schnell und zu relativ günstigen Preisen. Es gibt dabei überhaupt keine Abschreckungswirkung – ausser der unklaren Qualität dieser Drogen.
Aus suchtmedizinischer Sicht macht eine Prohibition keinen Sinn.
Wir stehen deshalb für eine Regulierung aller Drogen ein: Wer eine derzeit illegale Substanz konsumieren möchte, sollte das tun können. Aus suchtmedizinischer Sicht macht eine Prohibition keinen Sinn.
Wie müsste eine gute Regulierung ausgestaltet sein?
Bei der Regulierung gibt es zwei Extreme: Das totale Verbot, also die Prohibition – doch die funktioniert nicht, wie wir aus der Geschichte wissen. Das andere Extrem ist eine völlig liberale Handhabung, bei der die Industrie freie Hand hat, die Substanzen mit Werbung und günstigen Preisen auf den Markt zu pressen.
Wir befürworten einen Mittelweg.
Was wir aber befürworten, ist ein Mittelweg: eine strikte Regulierung, bei der die Verfügbarkeit der Substanzen nicht unbeschränkt ist, die Preise so geregelt sind, dass Neukonsumenten nicht animiert werden und keine Werbung gemacht werden darf.
Wie würde das konkret aussehen?
Das muss von Substanz zu Substanz angeschaut und geregelt werden. Es müssten wohl spezialisierte Verkaufsstellen sein, in denen ausgebildetes Personal arbeitet, das die Kunden beraten kann. Sie müssten auch erkennen, wenn Menschen einen problematischen Konsum entwickeln, um ihnen eine Beratung oder Therapie empfehlen zu können.
Das Gespräch führte Ivana Pribakovic.