Auf einer Fläche von 40 Fussballfeldern wollen Investoren auf dem ehemaligen Chemie-Areal im Klybeck in Basel Wohnungen für 10'000 Menschen bauen. Doch auch fünf Jahre nach dem Kauf sind die Bagger nicht aufgefahren.
Der Boden sei voller Chemikalien, Altlasten der 150-jährigen Produktion, warnt Martin Forter, Altlasten-Experte und Geschäftsführer der Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz. «Da gab es Explosionen, Brände – und etwas vom Heftigsten, das zur Verschmutzung des Untergrunds geführt hat, ist die kaputte Kanalisation. Aus dieser Kanalisation sind Tausende von Tonnen Chemieabwasser ausgeflossen.» Auch stark krebserregende Stoffe.
Der Kanton reagiert seit Jahren immer nach demselben Muster auf diese Kritik: Man habe alles im Griff, das 300'000 Quadratmeter grosse Areal sei bestens untersucht. Doch jetzt zeigen Recherchen der Rundschau ein ganz anderes Bild.
Pharmakonzern rechnete mit hohen Sanierungskosten
Ursprünglich wollte Novartis ihr Areal dem Kanton gar schenken, dafür hätte Basel-Stadt die Sanierungskosten übernehmen müssen. Der Pharmakonzern rechnete gemäss Recherchen der Rundschau schon damals mit mehreren Hundert Millionen Franken Sanierungskosten. Doch dazu kam es nie.
2018 dann wollten die Pharmakonzerne Novartis und BASF das Areal verkaufen. Zuerst bot auch der Kanton Basel-Stadt mit: eine halbe Milliarde Franken für das Novartis-Areal, unverbindlich. Doch dann wollte es der Kanton genau wissen, mit vernichtendem Resultat. Das zeigt ein interner, vertraulicher Bericht der Verwaltung an die Regierung, welcher der Rundschau vorliegt.
Kanton verzichtet wegen Risiko
Darin steht: «Insbesondere die Unterlagen zur Belastung der Gebäude und des Bodens konnten nur gegen Voranmeldung vor Ort im physischen Datenraum eingesehen werden.» Und weiter: «Dokumente, die auf einer mittleren Betrachtungsebene einen Überblick über das Kaufobjekt gewährt hätten, fehlten hingegen weitgehend.» Der Bericht kommt zum Schluss: «Es kann vermutet werden (…), dass es der Verkäuferin (…) nicht so sehr um ein transparentes Verfahren ging, sondern eher darum, dem Käufer möglichst alle Risiken vollumfänglich zu übertragen.»
Fazit: Dem Abklärungs-Team bleibe es verwehrt, seine Arbeit durchzuführen. Das Sanierungs-Risiko lasse sich deshalb schlicht nicht abschätzen, warnt die Verwaltung die Regierung. Diese bricht die Verhandlungen ab.
Verkauft wurde das Gelände schliesslich für rund 1.2 Milliarden Franken an den Versicherungskonzern Swiss Life und die Investorengruppe Rhystadt.
«Vollumfassend informiert»
In der Öffentlichkeit zeichneten die zuständige Überwachungsbehörde des Kantons, das Amt für Umwelt und Energie (AUE), ein ganz anderes Bild. So betonte der Leiter des Amts kein halbes Jahr nach dem vertraulichen Bericht: «Das Klybeck-Areal ist mit Sicherheit eines der am besten untersuchten Areale in der Schweiz.» Heute schreibt das Amt der «Rundschau»: Das AUE habe sichergestellt, dass die Käufer «vollumfassend» über die Belastungen im Untergrund informiert worden seien.
Darüber kann der ehemalige Grüne Grossrat Thomas Grossenbacher, der sich jahrelang im Kantonsparlament mit Altlasten beschäftigte, nur den Kopf schütteln. «Das ist wie bei den drei Affen: Augen, Ohren und Mund zu. Ich bin wirklich erschüttert, was die Rundschau hier aufdeckt.»
Gefährlicher Vorzeigebau?
Gewarnt hatte Altlasten-Experte Martin Forter auch davor, die alten, verschmutzten Fabriken zu öffnen. Genau dies tat die neue Besitzerin Swiss Life jedoch, nachdem sie das Areal 2019 gekauft hatte. So fanden im Vorzeigebau «K 90» verschiedene Veranstaltungen statt, etwa eine Podiumsdiskussion im August 2020 zur Zukunft des Klybecks. Inzwischen jedoch ist der Bau geschlossen: Hinein darf man gemäss Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz nur noch im Schutzanzug und mit einer Maske mit Aktivkohlefilter.
Besitzerin Swiss Life bestätigt die Schliessung von zehn Gebäuden inklusive «K 90». «Aufgrund der kurzen Aufenthaltszeit und der zahlreichen Berichte sowie zusätzlichen Untersuchungen, die Swiss Life aus den letzten Jahren vorliegen, hat für Teilnehmende dieser Veranstaltungen keine Gefährdung bestanden.»
Doch jetzt zeigen Recherchen der Rundschau: Der Kanton wusste spätestens 2019, wie gefährlich dieser Bau ist. Im internen Bericht steht dazu: «Das äusserlich zur Umnutzung geeignet erscheinende Gebäude 90 (…) ist im Innern weitgehend ausgehöhlt und derart stark belastet, dass eine Schadstoffsanierung mit grössten Risiken behaftet ist. Zudem hat die Verkäuferin (BASF) darauf hingewiesen, dass im Bereich des Gebäudes 90 ein Altlasten-Hotspot vorhanden ist»
Gestoppt haben die Behörden diese Veranstaltungen im «K90» trotzdem nicht. Ihre Erklärung: «Das Amt für Umwelt und Energie ist für Belastungen im Untergrund zuständig, nicht jedoch für Belastungen in Gebäuden und da es sich um ein privates Gebäude handelt, ist der Eigentümer verantwortlich.» Für den Politiker Grossenbacher unverständlich: «Auch da ist der Kanton in der Pflicht. Er kann nicht einfach sagen, das interessiert mich nicht.» Wann auf der Industriebrache Klybeck je gebaut werden kann, scheint offener denn je.