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Alain Berset im Gespräch
Aus Tagesschau am Vorabend vom 23.06.2021.
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 42 Sekunden.

Grosse Öffnungsschritte Braucht es nun keine Disziplin mehr, Herr Berset?

Der Bundesrat hat heute stärker gelockert als erwartet. Viele Freiheiten will der Bundesrat der Bevölkerung geben: Sind es allenfalls zu viele Freiheiten? Gesundheitsminister Alain Berset hält die Lockerungen angesichts der aktuellen Lage für verkraftbar.

Alain Berset

Bundespräsident

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Alain Berset ist seit 2012 Bundesrat und Vorsteher des Eidgenössischen Departements des Innern (EDI). Für das Jahr 2023 ist Berset zudem Bundespräsident. Er wurde 1972 geboren, studierte an der Universität Neuenburg Politik- und Wirtschaftswissenschaften, die er 2005 mit dem Doktorat abschloss. Der Sozialdemokrat war für den Kanton Freiburg im Ständerat und übte dort 2008 und 2009 das Amt des Ständeratspräsidenten aus. Neben seinem politischen Mandat präsidierte Berset den Westschweizer Mieterinnen- und Mieterverband und die Schweizerische Vereinigung zur Förderung der AOC/IGP.

Ende 2023 wird Alain Berset nicht mehr als Bundesrat kandidieren.

SRF News: Ab Samstag sind Fussballspiele wie Basel-YB mit 20'000 Zuschauern also wieder möglich?

Alain Berset: Ja, das kommt sehr bald. Mit einem Zertifikat, denn wir wollen keine unnötigen Risiken eingehen. Wir dürfen mutig sein, aber nicht übermütig – diese Balance versucht der Bundesrat zu finden.

Rockkonzerte drinnen mit 30'000 Leuten sind ebenfalls möglich?

Ja, auch das aber nur mit einem Zertifikat. Also mit der Sicherheit, dass die Personen, welche anwesend sind, nicht ansteckend sind. Es ist sehr viel möglich in der aktuellen Situation, mit der guten Impfentwicklung, mit dem Zertifikat, das sich ebenfalls sehr gut entwickelt.

Wenn wir nun die Massnahmen aufheben, dann besteht das Risiko, dass es wieder mehr Ansteckungen gibt bei den Leuten, die sich nicht impfen lassen wollen. Das ist zu akzeptieren.

Das letzte Mal, als sie Grossveranstaltungen wieder zugelassen haben, war vor 10 Monaten. Sie haben das im Nachhinein selber als grossen Fehler bezeichnet. Ist es diesmal kein Fehler?

Damals war es eine andere Welt, eine Welt ohne Impfung. Damals konnte sich das Virus im Herbst stark verbreiten. Nun sind wir am Anfang des Sommers, mit einer Impfkampagne, welche sehr gut läuft. Eines ist klar: Wir werden alle in Kontakt mit dem Virus kommen, entweder über die Impfung oder über eine Ansteckung. Wenn wir nun die Massnahmen aufheben, dann besteht das Risiko, dass es wieder mehr Ansteckungen gibt bei den Leuten, die sich nicht impfen lassen wollen. Das ist zu akzeptieren.

Aktuell sind 70 Prozent der Bevölkerung in der Schweiz noch nicht geimpft. Wenn sie den Öffnungsschritt nun derart schnell machen, ab kommendem Samstag, dann setzen Sie diese 70 Prozent einer Infektionsgefahr aus...

Deshalb ist es umso wichtiger, dass die weiterhin bestehenden Massnahmen gut umgesetzt werden – zum Beispiel die Maskenpflicht in Innenräumen. Diese wollen wir noch nicht aufheben, weil eben die impfwillige Bevölkerung noch nicht ganz geimpft ist. Auch die Restriktionen für Veranstaltungen ohne Zertifikat, wie Sitzpflicht oder Abstand, bleiben in den nächsten Wochen sehr wichtig.

Ist dieser Schritt heute nicht auch ein Signal, dass es keine Disziplin mehr braucht?

Das Ziel des Bundesrats war immer, so rasch wie möglich zu öffnen, ohne zu viele Risiken einzugehen und ohne die Kontrolle zu verlieren. Dafür braucht es die ganze Bevölkerung, die tatsächlich sehr gut mitmacht bei den Massnahmen. Wir sind darauf angewiesen, dass sie das auch in den nächsten Wochen macht.

In Grossbritannien sind viel mehr Leute vollständig geimpft als bei uns. Trotzdem verbreitet sich die Delta-Variante schnell, die Zahl der Ansteckungen geht wieder hoch. Bei uns dürfte die Delta-Variante in zwei bis drei Wochen auch weit verbreitet sein. Das Risiko, dass auch bei uns die Zahlen wieder hochgehen, ist doch recht gross?

Es ist ein Wettrennen zwischen der Impfkampagne und der Delta-Variante. Wenn die Impfkampagne weiter gut läuft, haben wir gute Chancen, dass die Impfung gewinnt.

Man hat vielleicht den Eindruck, es seien nun alle Massnahmen aufgehoben. Aber dem ist nicht so.

Wieso haben Sie nicht zwei oder drei Wochen mit den Öffnungen gewartet, dann wäre die Impfkampagne in diesem Wettbewerb im Vorteil gewesen?

Das macht keinen grossen Unterschied. Die Delta-Variante macht 10 Prozent bei uns aus, aber bei sehr tiefen Infektionszahlen. Impfung und Zertifikat werden uns helfen, die Kontrolle zu behalten. Man hat vielleicht den Eindruck, es seien nun alle Massnahmen aufgehoben. Aber dem ist nicht so.

Das Gespräch führte Urs Leuthard.

Tagesschau, 23.6.2021, 18:00 Uhr ; 

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