Die geplante Senkung des Grundbedarfes der Sozialhilfe bewegt die Berner Politik. SP, Grüne und verschiedene Verbände und Organisationen haben einen Volksvorschlag gegen die geplante Revision des Sozialhilfegesetzes eingereicht. Über 16‘000 Bernerinnen und Berner haben den Vorschlag unterschrieben.
70 Franken können sehr viel sein in einem Monat.
Die Senkung des Grundbedarfes der Sozialhilfe um 8 Prozent auf 899 Franken pro Monat gefährde die Menschenwürde der Sozialhilfeempfänger, meint die Berner SP-Grossrätin Margrit Junker Burkhard, die den Volksvorschlag mitinitiiert hat. «70 Franken können sehr viel sein in einem Monat», sagt Junker Burkhard. Etwa ein Kinobesuch oder eine Pizza lägen nach der Kürzung nicht mehr drin, die Empfänger von Sozialhilfe würden so ausgegrenzt.
Aufgrund des Volksvorschlages werden die Bernerinnen und Berner voraussichtlich über die Revision des kantonalen Sozialhilfegesetzes sowie über den Gegenvorschlag abstimmen.
Erste Senkung unter Grundbedarf
Der Kanton Bern wäre der erste Kanton, der den Grundbedarf unter den Minimalstandard der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe SKOS senkt. Nach den Richtlinien der SKOS liegt der Grundbedarf bei 986 Franken. Damit sollen die Sozialhilfeempfänger unter anderem ihre Verpflegung, Kleidung und ihren Transport decken.
Doch auch ausserhalb des Kantons Bern droht den Befürwortern der SKOS-Mindeststandards Ungemach. So sind in Basel-Landschaft und im Aargau Vorstösse zur Senkung des Grundbedarfes hängig. Die Vorschläge gehen gar noch weiter als derjenige in Bern. So soll der Grundbedarf grundsätzlich um 30 Prozent gesenkt werden. Nur wer besonders «integrationswillig, motiviert und engagiert» ist, soll den vollen Grundbedarf nach den Richtlinien der SKOS erhalten.
National koordiniertes Vorgehen
Dass gerade in mehreren Kantonen über den Grundbedarf in der Sozialhilfe diskutiert wird, ist kein Zufall. Eine Gruppe von Politikern um den ehemaligen SVP-Nationalrat Ulrich Schlüer hat sich zusammengeschlossen, um die Sozialhilfeleistungen in der ganzen Schweiz zu senken.
Es besteht hier ein Transparenzbedürfnis der Bevölkerung, wir bezahlen immer mehr Steuern, um die Sozialhilfe zu finanzieren.
Alle Vorstösse in den Kantonen kommen aus der Gruppe. Ihr gehört auch die Zürcher SVP-Nationalrätin Barbara Steinemann an. «Es besteht hier ein Transparenzbedürfnis der Bevölkerung, wir bezahlen immer mehr Steuern, um die Sozialhilfe zu finanzieren», ist sie überzeugt. Die im Kanton Bern geplanten Senkungen gehen ihr noch viel zu wenig weit.
SKOS ist besorgt
Im Angesicht der Pläne zur Senkung zeigt sich die SKOS besorgt. Sie befürchtet eine Abwärtsspirale. Schon vor langer Zeit habe es Bestrebungen gegeben, die sozial Schwachen an andere Orte abzuschieben. Genau dies habe schliesslich zur Gründung der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe vor rund hundert Jahren geführt, sagt der Geschäftsführer der SKOS, Markus Kaufmann. Die momentanen Entwicklungen beunruhigen ihn. Er hofft, dass der Sozialhilfe-Kompromiss im Kleid der SKOS-Richtlinien hält.
Gerade in Hinblick auf die Wahlen im nächsten Jahr dürfte das Thema Sozialhilfe auch in weiteren Kantonen für Gesprächsstoff sorgen. Die Revision des Sozialhilfegesetzes im Kanton Bern könnte somit der Auftakt sein für eine grossflächige Diskussion über die Höhe der Sozialhilfe-Leistungen.