An der Ukraine-Konferenz auf dem Bürgenstock werden am 15. und 16. Juni Regierungsvertreterinnen und Regierungsvertreter aus über 70 Staaten teilnehmen.
Dass eine solche Konferenz in der Schweiz stattfinde, sei nicht ganz zufällig, betont Laurent Goetschel. Er ist Professor für Politikwissenschaft an der Universität Basel und Direktor der Schweizerischen Friedensstiftung Swisspeace.
Tradition der Guten Dienste der Schweiz
Die Schweiz sei zwar ein wirtschaftlich starkes Land, sie werde aber geopolitisch von niemandem als Bedrohung angesehen: «Wenn man in die Schweiz fährt, gerät man nicht in eine bestimmte Einflusssphäre. Deshalb ist die Schweiz in einer guten Ausgangslage, eine solche Konferenz zu organisieren.»
Es ist nichts Neues, dass die Schweiz ihre Guten Dienste anbietet und manchmal auch mitverhandelt, um Auswege aus kriegerischen Situationen zu finden.
So spielte die Schweiz in den 1960er-Jahren eine wesentliche Rolle bei Friedensverhandlungen zwischen Frankreich und der algerischen Unabhängigkeitsbewegung.
Oder in Mosambik: Dort spielte ein Schweizer Diplomat eine wichtige Rolle bei den Gesprächen, die zu einem Ende des Bürgerkriegs führten. Und in Kolumbien hat die Schweiz ein offizielles Mandat als Garantin für die Friedensverhandlungen übernommen.
Kritik kommt vor allem aus der Schweiz selbst
Dennoch sind in letzter Zeit die Zweifel gewachsen, ob die Schweiz und ihre Guten Dienste in der heutigen Welt wirklich noch gefragt sind. «Die Guten Dienste sind vor allem in der Schweiz selber in die Kritik geraten – wir sind manchmal Weltmeister in der Selbstkritik», so Goetschel.
Hinzu kamen verschiedene europäische Regierungspolitiker, die die Schweiz auch öffentlich dafür kritisierten, dass sie keine Weitergabe von Waffen an die Ukraine zuliess. Diese Form der Neutralitätspolitik sei ein unmoralisches Abseitsstehen, bemängeln die Kritiker.
Neutrale Staaten tragen dazu bei, gewisse Sphären zu eröffnen, in denen Gespräche abgewickelt werden können.
Der Friedens- und Konfliktforscher Goetschel hält dagegen. «Neutrale Staaten tragen dazu bei, gewisse Sphären zu eröffnen, in denen Gespräche und Beziehungen abgewickelt werden können, die sonst nicht stattfinden würden.»
Auf diese Weise könnten die paar wenigen neutralen Länder, die es noch gebe, etwas zur Konfliktlösung beitragen. Und auch die Schweiz könne, was Bemühungen um Frieden angehe, möglicherweise mehr tun, als sie das bisher getan habe, so Goetschel.
Schwierige Ausgangslage für Bürgenstock-Konferenz
Dass nach der Bürgenstock-Konferenz Frieden herrschen wird in der kriegsgeschüttelten Ukraine, erwartet niemand. So ist etwa Russland als Kriegspartei an der Konferenz nicht einmal dabei.
Trotzdem hofft der Swisspeace-Direktor, dass man nächste Woche an der Konferenz wenigstens punktuelle Fortschritte erreicht. So etwa im humanitären Bereich oder bei der Sicherheit der Schifffahrt im Schwarzen Meer.
Und im optimalen Fall werde auf dem Bürgenstock die Grundlage für weitere Schritte gelegt. «Es sollte darum gehen, gewisse Eckwerte festzulegen oder gewisse Pflöcke einzuschlagen, die sich auf einen möglichst baldigen Friedensprozess auswirken könnten.»
An diesem müsste sich dann allerdings auch Russland beteiligen.