Gynäkologie und Spitzensport – zwei Themen, die wenig gemein haben. Und trotzdem ist man bei Swiss Olympic überzeugt, dass sie zusammengehören. Deshalb hat der Verband eine neue Stelle geschaffen. Spitzensportlerinnen können sich neu für frauenspezifische Fragen an Sibylle Matter Brügger wenden.
Die ehemalige Spitzen-Triathletin und Sportärztin gibt ihre Erfahrungen und ihr Fachwissen an die neue Generation Spitzensportlerinnen weiter. Als «Health Performance»-Managerin ist sie die Anlaufstelle, wenn Sportlerinnen gynäkologische Beratung brauchen. Das häufigste Thema in ihren Sprechstunden: der Menstruationszyklus.
Individuelle Beratung ist sinnvoll
«Wenn man 100 Frauen fragt, haben 100 Frauen unterschiedliche Erfahrungen mit dem Zyklus. In der Statistik heisst es dann, der Zyklus habe keinen Einfluss. Individuell hat er das aber eben schon», sagt Matter Brügger.
Sie bespricht mit jeder Athletin individuell, wie sie das Training an den Zyklus anpassen könnte. So sei man oft in Phasen leistungsfähiger, in denen der Körper mehr Östrogen ausschüttet. Dann könne man intensivere Trainingseinheiten einplanen.
Am Wettkampftag in einer schlechteren Zyklusphase
In anderen Phasen sei es hingegen sinnvoll, den Körper etwas zu schonen. Auch weil der Zyklus bei jeder Frau anders sein kann, sei individuelle Beratung sinnvoll. Ist der Zyklus unregelmässig, müsse man das berücksichtigen. Ist die Athletin Einzelsportlerin, kann sie das Training besser individuell anpassen als eine Teamsportlerin.
Wenn sich eine Athletin intensiv auf einen Wettkampf vorbereitet und ausgerechnet am Stichtag in einer schlechteren Zyklusphase befindet, hilft Sibylle Matter Brügger. «Da gibt es pflanzliche Produkte, die helfen können, die Beschwerden zu lindern», sagt die Sportmedizinerin. Auch Medikamente können helfen.
Studien basieren auf Daten von Männern
Nicht weniger individuell als der Zyklus ist dessen Reaktion auf Verhütungsmittel. Deshalb ist auch diese Frage eine viel diskutierte in Matter Brüggers Praxis. Hormonelle Verhütungsmittel können den Zyklus durcheinanderbringen. Auch hier gilt es, individuelle Lösungen zu finden.
Eine weitere Frage, die Athletinnen stellen: Wie viel Sport kann ich machen, wenn ich schwanger bin? Gerade diese Frage zeigt ein weiteres Problem auf. Es gibt zu dieser Frage – wie zu vielen anderen frauenspezifischen Fragen im Spitzensport – noch sehr wenig Literatur. Studien im Spitzensport basieren zu einem Grossteil auf Daten von Männern.
Viele junge Athletinnen geben an, sich bisher keine Gedanken um den Zyklus gemacht zu haben.
Es gilt, diesen Wissensrückstand aufzuholen. Egal, ob es um den Zyklus, die Verhütung oder eine Schwangerschaft geht. Dass der Wille dazu vorhanden ist, merkt Matter Brügger. Die Anfragen mehren sich, seit sich Swiss Olympic der Thematik angenommen hat. Und trotzdem sagt sie: «Bei Umfragen von jungen Athletinnen gibt der grössere Anteil an, sich keine Gedanken um den Zyklus gemacht und auch noch nie mit einem Trainer darüber gesprochen zu haben.»
Die Überzeugung von Sibylle Matter Brügger und von Swiss Olympic ist aber: Die Leistungen können gesteigert werden, wenn man über diese Themen spricht.