«Eine Impfpflicht ist leider die beste und verhältnismässigste Option, die in dieser schwierigen Situation bleibt. Alle Alternativen sind schlechter.» Das sagt SP-Nationalrat Fabian Molina angesichts der steigenden Ansteckungszahlen und Hospitalisierungen bei Barbara Lüthi im «Club».
Sanija Ameti, Co-Präsidentin der Operation Libero, ist überzeugt, dass man auch als Liberale eine Impfpflicht befürworten könne: «In der aktuellen Situation gibt es eine Reihe öffentlicher Interessen, die mittels einer Impfpflicht am verhältnismässigsten und damit am liberalsten gewahrt werden», so Ameti.
Selbstbestimmung über den eigenen Körper
Grosse Bedenken äussert Andrea Büchler, Präsidentin der Nationalen Ethikkommission (NEK): «Die Impfpflicht steht in einem Spannungsverhältnis zur Selbstbestimmung über den eigenen Körper – ein Gut, das einen sehr hohen Wert hat.» Die Ethikkommission hat sich bereits im Februar gegen eine Impfpflicht ausgesprochen.
«Auch von einem Impfobligatorium für bestimmte Bevölkerungsgruppen, namentlich für das Gesundheitspersonal, sollte abgesehen werden», schrieb die Kommission damals.
Wäre ein Lockdown die grössere Einschränkung?
Unterstützung erhalten Ameti und Molina von Francis Cheneval, Professor für politische Philosophie an der Universität Zürich und Experte für Liberalismus: «Ein erneuter Lockdown würde die persönliche Freiheit stärker einschränken als eine Impfpflicht», ist Cheneval überzeugt. «Wir haben kein Freiheitsrecht, jemanden einem unverhältnismässigen gesundheitlichen Risiko auszusetzen. Und deshalb haben wir die Pflicht, dieses Risiko angemessen zu reduzieren.»
Auch Pierre Alain Schnegg (SVP), Gesundheitsdirektor des Kantons Bern, will einen Lockdown verhindern. Eine Impfpflicht kommt für ihn aber auf keinen Fall infrage: «Das ist nicht umsetzbar. Und ich finde eine Impfpflicht auch moralisch falsch.» Keine rote Linie ist für ihn jedoch eine 2G-Regelung – also genesen oder geimpft.
Kein Impfzwang im engeren Sinne
Was für alle Gäste in der «Club»-Runde feststeht: Niemand dürfe gegen seinen oder ihren Willen eine Impfung verabreicht bekommen. Zur Diskussion stehen aber verschiedene Sanktionen, etwa eine eingeschränkte Teilnahme am öffentlichen Leben für Ungeimpfte oder Geldstrafen.
Arzt im Clinch
Infektiologe Jan Fehr von der Universität Zürich spricht von einem inneren Dilemma: «Als Arzt ist für mich die Entscheidungsfreiheit jedes einzelnen, die körperliche Unversehrtheit, das höchste Gut», sagt Fehr. «Gleichzeitig sind wir in einem absoluten Ausnahmezustand. Ich frage mich, ob die anderen Möglichkeiten langsam ausgeschöpft sind.»
Man müsse sich bewusst sein, wie viel man der Impfung zu verdanken habe: «Hätten wir die Impfung nicht, würden bei uns möglicherweise Zustände herrschen, wie vor einigen Monaten in Indien, als die Menschen auf den Fluren der Spitäler starben. Das brächte auch unser Gesundheitssystem vollends ans Limit.»
Krebsliga würde Diskussion über Impfpflicht begrüssen
Auch die Krebsliga Schweiz äussert sich auf Anfrage des «Club» erstmals zur Frage der Impfpflicht: «Die Corona-Impfung ist auch ein Zeichen der Solidarität gegenüber Krebsbetroffenen», schreibt die Krebsliga in einer schriftlichen Stellungnahme. «Die Krebsliga appelliert deshalb an alle, sich impfen zu lassen – bleibt die Impfrate tief, muss die politische Diskussion über eine Impfpflicht geführt werden.»