Kaum ein anderes Tier beschäftigt Politik, Gesellschaft und die Jägerschaft in Graubünden derzeit so sehr wie der Wolf.
Denn: Im Bergkanton hat gestern die Hochjagd begonnen. Gleichzeitig dürfen die Kantone bis Ende Januar Wölfe präventiv regulieren. In Graubünden sollen zwei ganze Rudel und zwei Drittel der Jungtiere erlegt werden. Bei den Rudeln handelt es sich um jenes am Vorab sowie um einen provisorischen Antrag für den Abschuss des Beverin-Rudels, sollte festgestellt werden, dass es sich nach wie vor um ein Rudel handelt.
Helfen sollen beim Abschuss dieser Wölfe 2700 berechtigte Jägerinnen und Jäger.
Bewilligung verzögert sich
Doch die Bewilligungen stehen noch aus. Das Bundesamt hat bisher zu keinem der Gesuche Stellung genommen. «Es ist sehr enttäuschend und frustrierend, dass die Bewilligung noch nicht vorliegt», sagt die zuständige Bünder Regierungsrätin Carmelia Maissen (Mitte). Man habe bereits im Frühjahr den genauen Zeitplan koordiniert.
Die Hochjagd dauert nur drei Wochen und jeder Tag ohne Wolfsregulierung ist für die Behörden ein Ärgernis. Die Antwort aus Bern wird in den nächsten Tagen erwartet.
Wild im Fokus der Jäger
Bei den Jägern dürfte diese Verzögerung nicht allzu viel Unmut auslösen. «Für mich als Bündner Jäger ändert sich durch die Wolfsjagd nichts. Ich bin froh, wenn ich den Kanton bei zufälligen Wolfsbegegnungen unterstützen kann» sagt ein Jäger gegenüber SRF an einem Ausbildungsabend, den jeder absolvieren muss, der einen Wolf erlegen will.
Wir schaffen keine Anreize für den Abschuss von Wölfen, weil wir die Jagd auf ihre Kernaufgabe konzentrieren wollen.
In Ilanz ist der Andrang für diese Ausbildung gross – auch weil man sich gerade im Gebiet des Vorab-Rudels befindet, das der Kanton als Ganzes erlegen will. Dabei wird Wert darauf gelegt, dass es sich nicht um eine eigentliche, gezielte «Wolfsjagd» handelt.
«Grundsätzlich bleibt der Wolf eine geschützte Tierart», erklärt Arno Puorger, Leiter der Abteilung Grossraubtiere beim Amt für Jagd. Deshalb sei es in erster Linie Aufgabe des Amtes, also der Wildhut, diese Regulierung durchzuführen.
«Wir schaffen keine Anreize für den Abschuss von Wölfen, weil wir die Jagd auf ihre Kernaufgabe, die Regulierung der Schalenwildbestände, konzentrieren wollen.» Deshalb sei auch keine Übergabe der erlegten Wölfe an Jäger vorgesehen. Es gebe weder Trophäen noch Prämien.
Wenn ein Wolf über die Stalltür springt, ist er kein Wildtier mehr.
Der Abschuss des Wolfes ist nicht nur in Bundesbern, bei Umweltschützern und Landwirten ein heiss diskutiertes Thema. Sondern auch unter Jägerinnen und Jägern, wenn auch oft hinter verschlossenen Türen. Öffentlich äussern wollen sich nur wenige.
Einer, der Stellung bezieht, ist Martin Valär, Jäger aus Ilanz. SRF trifft ihn zehn Tage vor Beginn der Hochjagd oberhalb von Andiast in der Surselva. Das ist im Streifgebiet des Vorab-Rudels, eines von drei Rudeln in der Region.
«Am Anfang war ich dagegen, dass sich die Jäger einmischen. Aber damals gab es noch nicht so viele Wölfe.» Inzwischen sei der Wolf in der Kulturlandschaft angekommen und habe sich an den Menschen angepasst. «Deshalb hat er für mich ein bisschen den Status des besonders schützenswerten Tieres verloren. Wenn ein Wolf über die Stalltür springt, ist er kein Wildtier mehr.»
Für den Jäger ist der Wolf in den kommenden Wochen nicht das Hauptziel seiner Jagd. «Ich würde nie in den besten Jagdzeiten, also morgens und abends, auf einen Wolf schiessen», erklärt er. Das würde zu viel Unruhe und Aufwand bedeuten, und die Chance, einen Hirsch zu erlegen, wäre geringer.
Die Wahrscheinlichkeit, einen Wolf zu sehen, sei ohnehin sehr gering. «Wenn aber zufällig ein Wolf vorbeikommt, der alle Voraussetzungen erfüllt, dann würde ich ihn schiessen.»