Am 1. September beginnt die Phase der proaktiven Wolfsregulierung. Einzelne Wölfe und ganze Rudel dürfen in der Schweiz geschossen werden, bevor sie Schaden anrichten. Heute hat mit Graubünden der erste Kanton ein Abschussgesuch beim Bundesamt für Umwelt eingereicht. David Gerke ist Geschäftsführer der «Gruppe Wolf Schweiz», die sich als Stimme der Grossraubtiere versteht. Er hofft, dass die Kantone weiterhin pragmatisch vorgehen werden.
SRF: Wie uns das Bundesamt für Umwelt (Bafu) bestätigte, hat es die Kantone aufgefordert, ihre Abschussgesuche Naturschutzorganisation zu zeigen, bevor sie diese beim Bafu einreichen. Haben Sie also das Gesuch vom Kanton Graubünden vorgängig gesehen?
David Gerke: Wir haben das Gesuch nicht vorgängig bekommen. Es ist ein neues Modell, welches das Bundesamt für Umwelt den Kantonen vorschlägt: Sie sollen den Umweltverbänden rechtliches Gehör gewähren, bevor sie die Gesuche einreichen. Das Verfahren muss sich zuerst etablieren. Gewisse Kantone haben es gemacht, andere noch nicht. Wir sind überzeugt, dass es ein konstruktiver Weg ist, um künftig zusammenzuarbeiten. Auch unsere Seite macht nicht gerne Beschwerden, das ist keine schöne Arbeit.
Wir arbeiten lieber proaktiv mit den Kantonen zusammen als gegen sie.
Sie müssen ja nicht, Sie wollen!
Beschwerden sind dazu da, um unklare Rechtsbegriffe gerichtlich zu klären, also offene Rechtsfragen, die der Gesetzgeber nicht abschliessend beantwortet hat. Wenn man neue Gesetze hat, ist es normal, dass es zuerst die Gerichtspraxis zu diesem Gesetz braucht. Aber klar ist, wir arbeiten lieber proaktiv mit den Kantonen zusammen als gegen sie.
Nun werden die Kantone, welche Wölfe regulieren wollen, ihre Gesuche beim Bafu eingeben. Gehen Sie von vielen Anträgen aus?
Ich gehe davon aus, dass die Kantone weiterhin eine differenzierte Beurteilung vornehmen, welche Rudel sie wirklich regulieren wollen und welche nicht, so wie es der Gesetzgeber vorgesehen hat. Er hat ja nicht eine Wolfsjagd eingeführt! Der Wolf ist eine geschützte Tierart, die nur unter gewissen Bedingungen auch präventiv reguliert werden kann. Die Kantone müssen aufzeigen, wann die Bedingungen erfüllt sind. Ich rechne damit und ich hoffe natürlich auch, dass die Kantone weiterhin pragmatisch vorgehen und dass man zu einer Wolfsregulierung kommt, die rechtskonform ist und die sowohl für die Schutzorganisationen als auch für die Landwirtschaftsorganisationen einen vertretbaren Mittelweg darstellt.
Beschwerden werden nicht eingereicht, um die Regulation zu stoppen, sondern um unklare Rechtsbegriffe gerichtlich zu klären.
Haben Sie vor, erneut mit Beschwerden die Wolfsregulierung zu stoppen?
Beschwerden werden nicht eingereicht, um die Regulation zu stoppen, sondern um unklare Rechtsbegriffe gerichtlich zu klären. Wir hoffen, dass die Beschwerden vom letzten Jahr ausreichend sind und dass es in diesem Jahr keine mehr braucht. Die ersten Signale der Kantone dahingehend sind sehr positiv. Ich hoffe und erwarte, dass wir in diesem Jahr ohne Beschwerden durchkommen werden.
Das Gespräch führte Simone Hulliger.