Bereits letzte Woche hagelte es Kritik am neuen Vatikan-Papier. Auch die Bistümer Basel, Chur und St. Gallen haben eine andere Meinung als der Vatikan, der den gleichgeschlechtlichen Paaren die Segnung verweigert. Als Begründung heisst es im publizierten Papier der Glaubenskongregation aus Rom: Dies würde eine Lebenspraxis fördern, die nicht Gottes Plan entspreche.
Von der Seelsorge her habe ich für diese Segensspende überhaupt keine Fragezeichen.
«Die Kirche darf niemanden vom Segen ausschliessen», kritisiert der Pastoralamtsleiter in St. Gallen, Franz Kreissl (62) und erhält Rückendeckung aus Basel von Bischof Felix Gmür (54). Er sagt, die römische Sexualmoral müsse sich weiterentwickeln. Und der neue Bischof von Chur, Joseph Bonnemain (72), kündigte an, mit Seelsorgenden ein Gespräch zu suchen, wenn sie schwule und lesbische Paare trauen wollten – denn es gehe um «Unterscheidung», nicht um Verbote.
Schon Jesus hat gesagt, ihr seid nicht die Kontrollbehörde für Gottes Zuwendung - und wenn, dann seid ihr nur Vermittler.
Insbesondere das Bistum St. Gallen hat mit seinen Äusserungen für Aufsehen gesorgt. Mit ihrem Schreiben mache sich die Glaubenkongregation zur Kontrolleurin darüber, wen Gottes Segen erreichen dürfe und wen nicht – «und das ist unangemessen und falsch», hat die Bistumsleitung in ihrer Mitteilung als Reaktion auf das Vatikan-Papier geschrieben.
Aber hat das Bistum St. Gallen tatsächlich den Mut auf Distanz zu gehen zu den katholischen Vorgaben aus Rom? Darauf sagt Franz Kreissel gegenüber SRF News, dass dieses Papier aus Rom weder ein neues Gesetz noch ein neues Dogma sei. Es sei lediglich eine Antwort auf einen Zweifel aus der Glaubenskongragation.
Wir können als Kirche den Segen Gottes nicht einschränken.
Jemand aus der Kongregation hätte eine Frage gestellt und diese sei im Rahmen des Gesetzes beantwortet worden. Unsere Antwort darauf, so Kreissl: «Wir haben nicht die Macht zu sagen, wo der Segen wirkt oder eben nicht wirkt.»
Kann also ein gleichgeschlechtliches Paar im Bistum St. Gallen bei den Seelsorgenden den Segen für seine Partnerschaft erbitten? Er habe noch nie erlebt, dass ein Paar angeklopft und danach gefragt habe, so Kreissl. Häufig wendeten sich Paare an Seelsorgende, zu denen sie ein Vertrauensverhältnis hätten. «Und da weiss ich, dass es Kolleginnen und Kollegen gibt, die dieser Bitte dann entsprechen.»
Dies sei nun nicht als Aufforderung zu verstehen, gleichgeschlechtliche Beziehungen aktiv zu segnen. Diesen Entscheid müssten Seelsorgende und Priester selber fällen, sagt Kreissl weiter. Häufig seien solche Segnungen nicht. Dem Bistum St. Gallen ist nur eine Handvoll Seelsorgende bekannt, die homosexuelle Paaren den kirchlichen Segen gegeben haben.
Die Reaktionen der SRF-Userinnen und SRF-User auf das Segensverbot aus Rom waren immens. Viel Hundert Kommentare wurden abgesetzt, so auch von Daniel Andenmatten: «Eine in sich selbst immer enger verschliessende Organisation, die immer mehr Menschen ausgrenzt. Schade für die ursprünglich einmal gute Grundidee dieses Elementes in der Gesellschaftsvielfalt.»
Wenn Homosexuelle nicht in Gottes Plan sind, warum gibt es sie dann? Sind nicht ausnahmslos alle Wesen Gottes?
Das Vatikan-Papier hat einen «Shitstorm» auf den Papst ausgelöst, schreibt User Tobias Anthamatten auf der Online-Plattform von SRF in seinem Kommentar: «Zur Verteidigung unseres Papstes möchte ich nur hinzufügen, dass in der katholischen Kirche jeder Mensch herzlich willkommen ist, weil Jesus jeden Menschen liebt – trotz seiner Fehler und Schwächen.»