Seit einem Treffen von Rechtspopulisten in Deutschland ist das Wort «Remigration» in die Öffentlichkeit gerückt. Mit diesem Begriff bezeichneten Teilnehmer des Treffens ihre Pläne zur Abschiebung von Millionen Migrantinnen und Migranten. Das Wort «Remigration» schlägt in Deutschland hohe Wellen; in der Schweiz wird es bis jetzt hauptsächlich medial diskutiert.
In den sozialen Medien gibt es neben vielen ablehnenden Stimmen zum Treffen der Rechtspopulisten vorerst nur wenige, die das Wort «Remigration» aufnehmen. Etwa im Umfeld der Corona-Massnahmengegner. Sie wehren sich damit gegen ein geplantes Asylzentrum. Oder ein ehemaliger Nationalrat, er twitterte: «Remigration jetzt».
Bei der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus (EKR) sind noch keine Meldungen oder Anfragen eingegangen. Dennoch hat die Kommission den Begriff auf dem Radar. «Der Begriff ‹Remigration› wird seit einigen Jahren verstärkt von rechtspopulistischen und rechtsextremen Akteuren genutzt und im Sinne ihrer Ideologie politisch umgedeutet», sagt Geschäftsführerin Alma Wiecken.
Und in diesem Kontext findet die Antirassimuskommission den Begriff problematisch: «Wenn ‹Remigration› mit dieser Bedeutung in diesem Kontext genutzt wird, ist das als rassistisch einzuordnen.»
Doch eigentlich bedeutet Remigration «Zurückkehren». Das Wort kommt aus den Geschichtswissenschaften im Zusammenhang mit Migrationsströmen, die es seit Jahrtausenden gibt. Dass ein neutrales Wort plötzlich umgedeutet, umgefärbt wird, sieht auch die Sprachwissenschafterin kritisch.
«Immer wenn es politische Verschiebungen in eine Richtung gibt, die von der Gesellschaft nicht als richtig und moralisch integer angesehen wird, ist das problematisch», sagt Marlies Whitehouse von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW).
Wer ist «systemrelevant»?
Solche Umdeutungen gebe es immer wieder, sagt Whitehouse. Neutrale Wörter würden von einer Gruppierung in einem anderen Kontext gebraucht. Dadurch erhalte das Wort eine Wertung, die negativ gefärbt sein könne.
In der Schweiz zum Beispiel sei «systemrelevant» zu einem schwierigen Begriff geworden. In der Pandemie habe der Bundesrat eine Wertung vorgenommen: «Es gab quasi eine Einteilung in zwei Klassen: Wer ist relevant in unserem System und auf wen können wir eigentlich verzichten?»
«10-Millionen-Schweiz»
Oder die Initiative zur 10-Millionen-Schweiz der SVP. Aus drei eigentlich neutralen Wörtern entstehe ein Bild im Kopf, das einem sage, man müsse sich vor noch mehr Menschen in der Schweiz fürchten, weil wir bereits neun Millionen sind: «Daran sieht man, dass sie darüber laut und offen sprechen – und damit vielleicht auch ein Tabu brechen.»
Eine negative Färbung von Wörtern zu neutralisieren, könne lange dauern, sagt Sprachwissenschafterin Whitehouse. Am besten solle man konsequent einen unbelasteten Begriff verwenden. Wie es das Staatssekretariat für Migration (SEM) macht: Dort wird nur von Rückführung gesprochen und nicht von Remigration.