- Die ehemalige SP-Parteipräsidentin Christiane Brunner ist tot. Die Genferin stirbt mit 78 Jahren.
- Christiane Brunner prägte die Frauenbewegung in der Schweiz. Ihre Nicht-Wahl in den Bundesrat 1993 ging in die Geschichte ein.
Brunner sei am Freitagmorgen verstorben, bestätigte der Sohn der einstigen National- und Ständerätin. Zuerst über den Todesfall berichtet hatte das Westschweizer Radio und Fernsehen RTS.
Christiane Brunner verstorben
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Bild 1 von 10. Die ehemalige SP-Parteipräsidentin Christiane Brunner ist mit 78 Jahren gestorben. Bildquelle: KEYSTONE/Yoshiko Kusano.
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Bild 2 von 10. Brunner gilt als Schweizer Feministin der ersten Stunde... Bildquelle: KEYSTONE/Lukas Lehmann.
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Bild 3 von 10. ...und gehörte im Jahr 1969 zu den Gründerinnen der Frauenbefreiungsbewegung in der Schweiz. (Bild: Frauenstreik in Genf, 14. Juni 2011). Bildquelle: KEYSTONE/Salvatore Di Nolfi.
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Bild 4 von 10. Im September 1991 demonstrierte sie (rechts) als Nationalratskandidatin zusammen mit anderen Frauen in Bern und forderte «mehr Frauen ins Parlament» und den «Ausbau des Mutterschaftsschutzes». Bildquelle: KEYSTONE/Str.
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Bild 5 von 10. Brunner schaffte es in den Nationalrat (1991 bis 1995). Später war sie Ständerätin von 1995 bis 2007. Hier zusammen mit dem jungen Alain Berset. (16. Dezember 2003). Bildquelle: (KEYSTONE/Yoshiko Kusano.
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Bild 6 von 10. Vier Jahre lang war Brunner Präsidentin der SP. (28. Juni 2003). Bildquelle: KEYSTONE/Laurent Gillieron.
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Bild 7 von 10. Als Co-Präsidentin des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes SGB setzte sich Brunner zusammen mit Vasco Pedrina für eine sozialere und gerechtere Zukunft ein. (8. Juli 1998) . Bildquelle: KEYSTONE/Edi Engeler.
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Bild 8 von 10. Brunner reichte im Jahr 2002 zusammen mit SP-Nationalrat Ruedi Rechsteiner die Volksinitiative «Nationalbankgewinne für die AHV» ein. (4. Oktober 2002). Bildquelle: KEYSTONE/Alessandro della Valle.
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Bild 9 von 10. Was Brunner verwehrt blieb, war der Sprung in den Bundesrat. Anstelle von ihr wurde Ruth Dreifuss (links) am 10. März 1993 als zweite Frau in den Bundesrat gewählt. Bildquelle: KEYSTONE/STR.
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Bild 10 von 10. Die beiden Frauen blieben aber in engem Kontakt: Hier zusammen als Garderobieren an der SP Versteigerungsparty in Bern. Die Party sollte der SP finanziell auf die Beine helfen. (22. Februar 2002). Bildquelle: KEYSTONE/Edi Engeler.
Ikone der Schweizer Frauenbewegung
Brunner gilt als Ikone der Schweizer Frauenbewegung. 1969 war die Juristin Gründungsmitglied der Frauenbefreiungsbewegung (FBB). National bekannt wurde Brunner als eine der Mitinitiantinnen des ersten Frauenstreiks. Dieser vermochte am 14. Juni 1991 eine halbe Million Frauen zu mobilisieren.
Brunners Engagement für die Sache der Frauen ging Hand in Hand mit ihrer Karriere als Gewerkschafterin. In dieser damals vorwiegend von Männern dominierten Welt war sie 1992 die erste Frau, die nach dem Schweizerische Verband des Personals öffentlicher Dienste (VPOD) (1982-89) den Schweizerischen Metall- und Uhrenarbeiterverband (SMUV) präsidierte. Von 1994 bis 1998 war sie zudem zusammen mit Vasco Pedrina Co-Präsidentin des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes.
Der «Sturm» von 1993
Politisch gesehen war Brunners Bundesratskandidatur 1993 das denkwürdigste Ereignis ihrer Karriere. Die offizielle Kandidatin der SP-Fraktion unterlag jedoch am 3. März an Francis Matthey.
Der im März verstorbene Neuenburger wurde von den bürgerlichen Parteien unterstützt, die der Sozialistin im Rennen um die Nachfolge von René Felber den Weg versperren wollten: Anstelle Brunners wählte die Vereinigte Bundesversammlung zunächst den Neuenburger National- und Staatsrat. Matthey lehnte die Wahl jedoch auf Druck seiner Partei ab.
Die Nicht-Wahl Brunners führte zu Protesten – insbesondere von Frauen. Schliesslich wurde Ruth Dreifuss Mitglied der Landesregierung.
«Brunner-Effekt»
Das Ereignis hatte nachhaltige Folgen. Nach den Protesten von Hunderten von wütenden Frauen auf den Bundesplatz und der Wahl von Ruth Dreifuss eine Woche nach dem denkwürdigen 3. März 19993 führte der «Brunner-Effekt» zu einem starken Anstieg der Frauenvertretung in verschiedenen Kantonen.
Diese Nicht-Wahl habe mehr bewegt, als sie als Bundesrätin hätte bewirken können, bekräftigte Brunner später mehrmals. Während ihrer gesamten Karriere und insbesondere zur Zeit ihrer Kandidatur war die Genferin heftigen sexistischen Angriffen ausgesetzt.
Im Bundeshaus sass Brunner zunächst vier Jahre – von 1991 bis 1995 – im Nationalrat und danach von 1995 bis 2007 im Ständerat. Zu ihren bevorzugten Themen gehörten Rechtsfragen, Arbeitsrecht, Sozialversicherungen, der Status der Frauen und der Ausländer. Auch die Mutterschaftsversicherung lag ihr am Herzen.
Um die Jahrtausendwende verliess die Politikerin die Gewerkschaftsbühne und übernahm das Präsidium der SP, die durch eine interne Krise geschwächt war. 2000 bis 2004 kehrte die Partei unter ihrer Ägide auf die Erfolgsstrasse zurück und erreichte 2003 über 23 Prozent der Wählerstimmen.
Rückzug aus der Politik
Ab 2007 zog sich Brunner aus dem politischen Leben zurück. 30 Jahre nach dem ersten Frauenstreik schlug die Politikerin in einem Interview vor, eine Volksinitiative zu lancieren, um endlich Lohngleichheit zu erreichen, und forderte ihre Mitstreiterinnen auf, «nicht locker zu lassen».
Brunner lebte in einer Patchworkfamilie mit fünf Söhnen. Ihr Ehemann, der Gewerkschafter Jean Quéloz, verstarb 2021.