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Ikone der Frauenbewegung Ehemalige SP-Präsidentin Christiane Brunner verstorben

  • Die ehemalige SP-Parteipräsidentin Christiane Brunner ist tot. Die Genferin stirbt mit 78 Jahren.
  • Christiane Brunner prägte die Frauenbewegung in der Schweiz. Ihre Nicht-Wahl in den Bundesrat 1993 ging in die Geschichte ein.

Brunner sei am Freitagmorgen verstorben, bestätigte der Sohn der einstigen National- und Ständerätin. Zuerst über den Todesfall berichtet hatte das Westschweizer Radio und Fernsehen RTS.

Christiane Brunner verstorben

Ikone der Schweizer Frauenbewegung

Brunner gilt als Ikone der Schweizer Frauenbewegung. 1969 war die Juristin Gründungsmitglied der Frauenbefreiungsbewegung (FBB). National bekannt wurde Brunner als eine der Mitinitiantinnen des ersten Frauenstreiks. Dieser vermochte am 14. Juni 1991 eine halbe Million Frauen zu mobilisieren.

Brunners Engagement für die Sache der Frauen ging Hand in Hand mit ihrer Karriere als Gewerkschafterin. In dieser damals vorwiegend von Männern dominierten Welt war sie 1992 die erste Frau, die nach dem Schweizerische Verband des Personals öffentlicher Dienste (VPOD) (1982-89) den Schweizerischen Metall- und Uhrenarbeiterverband (SMUV) präsidierte. Von 1994 bis 1998 war sie zudem zusammen mit Vasco Pedrina Co-Präsidentin des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes.

SP-Co-Präsidentin Meyer: «Sie hat uns den Weg geebnet»

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Mattea Meyer
Legende: Keystone/PETER SCHNEIDER

SRF News: Mattea Meyer, was bedeutet Christiane Brunner für Sie persönlich?

Meyer: Christiane Brunner war die letzte Parteipräsidentin der SP vor mir. Sie ist ein sehr grosses Vorbild. Ich bin in grosse Fussstapfen getreten.

Haben Sie eine persönliche Erinnerung an Brunner?

Ich habe sie immer wieder an Parteianlässen getroffen und war tief beeindruckt von ihrem jahrzehntelangen Engagement für die Frauenrechte, für die Gleichstellung und für die Rechte der Arbeitnehmenden. Ich bin traurig, dass sie heute gestorben ist.

Was hat Christiane Brunner für eine Bedeutung für die Frauenbewegung in der Schweiz?

Sie hat als National-, als Ständerätin und als Parteipräsidentin jahrzehntelang für gute Löhne und bessere Arbeitsbedingungen für die Frauen gekämpft und hat mit diesem Engagement für die Frauenrechte meiner Generation den Weg geebnet. Dafür bin ich ihr unglaublich dankbar.

Das Gespräch führte Marisa Eggli.

Der «Sturm» von 1993

Politisch gesehen war Brunners Bundesratskandidatur 1993 das denkwürdigste Ereignis ihrer Karriere. Die offizielle Kandidatin der SP-Fraktion unterlag jedoch am 3. März an Francis Matthey.

Der im März verstorbene Neuenburger wurde von den bürgerlichen Parteien unterstützt, die der Sozialistin im Rennen um die Nachfolge von René Felber den Weg versperren wollten: Anstelle Brunners wählte die Vereinigte Bundesversammlung zunächst den Neuenburger National- und Staatsrat. Matthey lehnte die Wahl jedoch auf Druck seiner Partei ab.

Die Nicht-Wahl Brunners führte zu Protesten – insbesondere von Frauen. Schliesslich wurde Ruth Dreifuss Mitglied der Landesregierung.

Reaktionen zum Tod von Christiane Brunner

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Die SP würdigte Brunner in einem Communiqué als prägende Figur, die auch künftige Generationen inspirieren werde. Den Angehörigen der Verstorbenen sprach die Partei ihr tiefstes Mitgefühl aus. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) hob die Pionierrolle Brunners als erste Frau an der Spitze des Dachverbands hervor. Ihre Vision seien kämpferische, aber stets ergebnisorientierte Gewerkschaften gewesen.

«Brunner-Effekt»

Das Ereignis hatte nachhaltige Folgen. Nach den Protesten von Hunderten von wütenden Frauen auf den Bundesplatz und der Wahl von Ruth Dreifuss eine Woche nach dem denkwürdigen 3. März 19993 führte der «Brunner-Effekt» zu einem starken Anstieg der Frauenvertretung in verschiedenen Kantonen.

Diese Nicht-Wahl habe mehr bewegt, als sie als Bundesrätin hätte bewirken können, bekräftigte Brunner später mehrmals. Während ihrer gesamten Karriere und insbesondere zur Zeit ihrer Kandidatur war die Genferin heftigen sexistischen Angriffen ausgesetzt.

Im Bundeshaus sass Brunner zunächst vier Jahre – von 1991 bis 1995 – im Nationalrat und danach von 1995 bis 2007 im Ständerat. Zu ihren bevorzugten Themen gehörten Rechtsfragen, Arbeitsrecht, Sozialversicherungen, der Status der Frauen und der Ausländer. Auch die Mutterschaftsversicherung lag ihr am Herzen.

Um die Jahrtausendwende verliess die Politikerin die Gewerkschaftsbühne und übernahm das Präsidium der SP, die durch eine interne Krise geschwächt war. 2000 bis 2004 kehrte die Partei unter ihrer Ägide auf die Erfolgsstrasse zurück und erreichte 2003 über 23 Prozent der Wählerstimmen.

Rückzug aus der Politik

Ab 2007 zog sich Brunner aus dem politischen Leben zurück. 30 Jahre nach dem ersten Frauenstreik schlug die Politikerin in einem Interview vor, eine Volksinitiative zu lancieren, um endlich Lohngleichheit zu erreichen, und forderte ihre Mitstreiterinnen auf, «nicht locker zu lassen».

Brunner lebte in einer Patchworkfamilie mit fünf Söhnen. Ihr Ehemann, der Gewerkschafter Jean Quéloz, verstarb 2021.

SRF 4 News, 10 Uhr, 18.04.2025 ; 

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