- Yanis Callandret, der Chef der Bundeskriminalpolizei, hat in einem Interview eindringlich vor einer Zuspitzung der Drogengewalt in der Schweiz gewarnt.
- Diese sei bereits angekommen, etwa in Form von Schiessereien in Genf, sagte Callandret zu den Tamedia-Zeitungen.
«Wir befinden uns in Europa in einer Eskalation der Gewalt. Wir sehen keinen Grund, wieso die Schweiz vom Drogenkrieg verschont bleiben sollte», fügte der Chef der Bundeskriminalpolizei hinzu. Selbst in bislang als ruhig geltenden Ländern wie Belgien, Holland oder Schweden führten Banden ihre Abrechnungen inzwischen mit Sprengstoffanschlägen statt mit Pistolen durch.
Die zunehmende Gewalt werde teilweise durch die Kokainwelle ausgelöst, die derzeit über Europa hinwegrolle. Die kriminellen Gruppen seien international organisiert, ihr Ziel sei es, Geld zu verdienen, sich in der Wirtschaft zu etablieren und Einfluss auf die Politik zu nehmen. In der Schweiz habe sich der Kokainkonsum in den letzten zehn Jahren verdoppelt, sagte Callandret unter Verweis auf Abwasseranalysen.
Polizei befürchtet Infiltrierung durch Mafia
Laut Callandret seien auch hierzulande mehrere Organisationen aktiv, darunter die kalabrische 'Ndrangheta, Gruppen aus Albanien, Serbien, Nigeria und der Türkei sowie Motorradclubs wie die Hells Angels. Es bestehe die Gefahr, dass solche Gruppierungen Politik, Verwaltung oder den Finanzplatz infiltrierten.
«Diese kriminellen Organisationen pflegen Kontakte und nisten sich in Kreisen ein, die es ihnen ermöglichen, informiert, geschützt und begünstigt zu werden», sagte Callandret. Besonders bei der italienischen Mafia sei das Infiltrationsrisiko erhöht.
Forderung nach mehr Personal
Derzeit seien rund 40 Ermittler im Bereich Drogen und organisierte Kriminalität tätig – zu wenig, wie Callandret betonte. Sparmassnahmen hätten dazu geführt, dass Personal in den letzten Jahren eher ab- als ausgebaut worden sei.
«Vernünftig wären fünf bis zehn Stellen pro Jahr über eine längere Zeit», sagte er über das benötigte zusätzliche Personal. Bundesanwalt und Kantone würden ebenfalls Alarm schlagen, unterstrich Callandret abschliessend: «Wir malen nicht den Teufel an die Wand.»