Auf den ersten Blick sieht das Gebüsch nicht lebendig aus; ein Gewirr aus Pflanzenstängeln und Blättern, mehr nicht. Das Auge sucht nach Insekten – und findet nichts. Weil es nach etwas Kleinem sucht, während in diesem Gebüsch Insekten mit bis zu einem halben Meter Länge sitzen.
«Es sind sogar mehrere, insgesamt zehn Stück», erklärt Tierpflegerin Jasmin Holzer, «das sind Malaysische Riesenstabschrecken.» Aussergewöhnliche Tiere, welche dank ihrer Tarnung selbst die Tierpflegerin regelmässig auf die Probe stellen, wenn es darum geht, zu checken, ob noch alle Stabschrecken da sind.
Bedrohte Arten erhalten
Die riesige Stabschrecke ist eine von 20 Arten, welche ab Frühling 2025 im Zoo Zürich zu sehen sind. Nicht hinter einer Glasscheibe, sondern frei am Herumlaufen und Fliegen – im sogenannten Insektenwald. Um zu verhindern, dass die Tiere entkommen, wird es nur zwei Türen im Gebäude geben. Ausserdem wird voraussichtlich immer eine Aufsichtsperson vor Ort sein, auch damit niemand die Tiere anrührt oder auf dumme Gedanken kommt. Denn im Haus werden sich mittelfristig auch Insekten tummeln, die sonst nur noch an wenigen Orten auf der Welt zu sehen sind.
Ein Beispiel ist die Samtschrecke, die nur auf einer kleinen Fläche in Peru vorkommt und vom Aussterben bedroht ist. «Dank Zuchterfolgen in Zoos und bei privaten Haltern konnte der Fortbestand der Art gesichert werden», erklärt Kuratorin Franziska Dreier, sie ist für das Areal des Lebensraums Panthera zuständig, zu dem auch die Raubkatzen gehören.
«Erste Erfolge gibt es bereits: Wir konnten rund 60 Samtschrecken nachzüchten», bestätigt sie auf Anfrage. Zuerst werden aber vor allem Arten gehalten, die nicht gefährdet sind. «Wir haben uns gut auf das Insektenhaus vorbereitet, sammeln aber aktuell immer noch Erfahrungen mit der Haltung und Zucht von gewissen Insektenarten», erklärt Dreier.
Neugierde und Faszination wecken
Der Insektenwald wird Teil des neuen Grosskatzenlebensraums namens Panthera und ist im ehemaligen Löwenhaus. Obwohl Insekten viele Leute ekeln, will der Zoo auf diese Tiere setzen: «Wir wollen bei den Besucherinnen und Besuchern Neugierde und Faszination für Insekten und Spinnen wecken», erklärt Fachspezialistin Holzer. Weiter soll auch auf das Insektensterben hingewiesen werden.
In diesem Zusammenhang forscht der Zoo Zürich ab Dezember in einer neuen Station auch mit bedrohten Arten, um beispielsweise herauszufinden, was für deren Arterhaltung getan werden kann.
Höhle für Geisselspinne
Neben weiteren aussergewöhnlichen und besonders farbigen Stabschrecken werden auch Gottesanbeterinnen zu sehen sein sowie grosse, farbige Käfer, dornige Heuschrecken und Riesentausendfüssler. Auch zwei Spinnenarten sind vertreten.
Für eine Sorte Spinnen wurde eigens eine Höhle gebaut, und zwar für die Geisselspinne. Diese kommt nur ausserhalb von Europa vor und besitzt zwei besonders lange Tastbeine, um damit im Dunkeln nach Beute zu tasten. Mit grossen Scheren schnappen sie dann blitzschnell zu und halten beispielsweise Falter fest, um sie zu beissen und anschliessend auszusaugen.