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Coachings von «Zrächtcho» führen bei 70 Prozent zu einer Festanstellung
Aus Regionaljournal Basel Baselland vom 06.08.2024. Bild: SRF / Laura Baldini
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Integration in Arbeitsmarkt Wie ein Verein hilft, dass Geflüchtete Arbeit finden

Aufgrund des Fachkräftemangels ist die Nachfrage nach Arbeitskräften gross. Geflüchtete könnten helfen, den Mangel zu reduzieren. Um sie zu vermitteln, braucht es jedoch Unterstützung.

Einen Bachelorabschluss als Elektroingenieurin habe Narges Zekavatbakhsh in ihrer Heimat Iran absolviert. «Ich hatte in der Öl- und Gasindustrie gearbeitet. Ich habe diese Arbeit geliebt.» Vor vier Jahren ist sie mit ihrer Familie in die Schweiz geflüchtet. Eine Anstellung hat sie hier aber trotz Fachkräftemangels nicht gefunden.

Frau sitzt an einem Tisch.
Legende: Narges Zekavatbakhsh hat ihren Job als Elektroingenieurin geliebt und sucht jetzt in der Schweiz eine Stelle. SRF/Laura Baldini

«In der Schweiz sind gute Sprachkenntnisse und Berufserfahrung wichtig», sagt Zekavatbakhsh. Ihre Deutschkenntnisse sind aber noch lückenhaft. Hier bekommt die Iranerin Unterstützung vom privaten Verein «Zrächtcho».

Es braucht weltoffene Arbeitgeber.
Autor: Mirjam Würth Geschäftsleiterin Verein «Zrächtcho»

Die Mitgründerin und Geschäftsleiterin des Vereins, Mirjam Würth, sagt: «Geflüchtete brauchen viel Unterstützung.» Viele wüssten nicht, wie die Schweiz funktioniere. Und: «Es braucht auch weltoffene Arbeitgeber, die bereit sind, einen Schritt mehr zu tun. Im Gegenzug bekommen sie Arbeitnehmende, die meistens sehr loyal sind.»

Diplome oft nicht anerkannt

Der Verein hilft geflüchteten Menschen bei der Suche nach einer passenden Stelle. So habe zum Beispiel der Ehemann von Narges Zekavatbakhsh bereits eine Stelle in der Schweiz gefunden, erzählt die Elektroingenieurin. Das habe die Situation der Familie verbessert. Sie konnten das Asylheim verlassen und in eine eigene Wohnung ziehen. Ihr Sohn besuche hier die Schule und spreche fliessend Schweizerdeutsch.

Bei ihrer Suche nach Arbeit erhält Narges Zekavatbakhsh jetzt ein Coaching. «Es geht darum, die Fähigkeiten und Interessen auszuloten», sagt Adam Sowulewski von «Zrächtcho». Auffällig sei, dass eine gute Ausbildung in der Heimat die Stellensuche in der Schweiz nicht unbedingt einfacher mache. Oft würden nämlich ausländische Diplome nicht anerkannt.

Eine Frau und ein Mann sitzen an einem Sitzungstisch.
Legende: Mirjam Würth und Adam Sowulewski sind überzeugt, dass beide Seiten – Geflüchtete und Unternehmen – von erfolgreicher Arbeitsvermittlung profitieren. SRF/Laura Baldini

Berufscoach Sowulewski informiert zum Beispiel über Möglichkeiten zur Weiterbildung oder vermittelt zum Einsteigen etwa ein Praktikum.

Meistens gebe es über Umwege eine Lösung. Beim Verein «Zrächtcho» würden rund 70 Prozent der Jobcoachings zu einem Erfolg führen, also zu einer Festanstellung. Die Nachfrage für eine Unterstützung sei hoch, heisst es von «Zrächtcho». Gesucht seien vor allem Firmen, die offene Stellen auch mit Migrantinnen und Migranten besetzen wollten.

Denn für eine erfolgreiche Vermittlung braucht es gemäss dem Verein auch Arbeitgeber, die Menschen, die in die Schweiz geflüchtet sind, anstellen. Dafür arbeitet «Zrächtcho» zum Beispiel mit der Firma Angenstein-Estech AG zusammen.

Wer darf in der Schweiz überhaupt arbeiten?

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Wer in der Schweiz ein Asylgesuch stellt, hat den Aufenthaltsstatus N. «Während des Aufenthaltes in den Zentren des Bundes dürfen Asylsuchende keine Erwerbstätigkeit ausüben», so das Staatssekretariat für Migration (SEM). «Danach kann eine vorübergehende Erwerbstätigkeit bewilligt werden:

  • wenn ein Gesuch eines Arbeitgebers vorliegt,
  • wenn die Wirtschafts- und Arbeitsmarktlage dies erlauben,
  • wenn die Lohn- und Arbeitsbedingungen sowie der Vorrang (siehe unten) eingehalten werden.

Ein Rechtsanspruch auf Erwerbstätigkeit besteht nicht.»

Wer aus einem EU- oder einem EFTA-Staat (Europäische Freihandelszone) kommt, darf drei Monate lang in der Schweiz arbeiten, ohne besondere Bewilligung. Wer länger arbeiten will, muss vorher eine Aufenthaltsbewilligung bei der Wohngemeinde beantragen.

Wer Bürger oder Bürgerin eines Nicht-EU/EFTA-Staates ist, darf in der Schweiz nicht arbeiten, auch mit Stelle. «Ein Stellenangebot in der Schweiz genügt nicht, um eine Arbeitsbewilligung zu erhalten», so das SEM. Der Arbeitgeber müsse zuerst versuchen, jemanden aus dem Inland oder einem EU- oder EFTA-Staat finden.

Gelingt dies nicht, muss die Arbeitgeberin nachweisen, dass die Person, die sie anstellen will, die Qualifikationen erfüllt.

Personen, die aus der Ukraine geflüchtet sind, haben mit dem Schutzstatus S die Möglichkeit, sofort zu arbeiten, wenn sie eine Stelle finden oder selbständig sind.

Wer aus einem Land ausserhalb des EU-/EFTA-Raums kommt – also einem sogenannten Drittstaat – muss besonders qualifiziert sein, um hier arbeiten zu dürfen. Die Anzahl der Arbeitsbewilligungen ist limitiert und hängt unter anderem von den Qualifikationen und dem Beruf ab. Künftige Arbeitgebende müssen eine Bewilligung einholen und aufzeigen, dass auf dem Schweizer Arbeitsmarkt keine geeignete Person für die Funktion zu finden war. «Grundsätzlich ist dies nur bei gut qualifizierten Fachkräften möglich – in erster Linie Personen mit Hochschulabschluss und mehrjähriger Berufserfahrung», so das SEM.

Geschäftsleiter Franz Imwinkelried hat bereits Erfahrungen mit der Anstellung von Geflüchteten gesammelt. Klar, ganz reibungslos sei das nicht immer verlaufen. Imwinkelried erinnert sich an einen geflüchteten Mann, der bei ihm die Lehre gemacht hat: «Er musste zuerst den Umgang in der Firma lernen: Pünktlich und zuverlässig sein, Ordnung halten; die typischen Schweizer Eigenschaften.»

Wir müssen den Geflüchteten eine Chance geben. Dann ist Migration eine Chance.
Autor: Franz Imwinkelried Geschäftsleiter von Angenstein-Estech AG

Am Schluss sei es aber eine sehr gute Erfahrung gewesen. Der Mann habe seine Lehre mit guter Note abgeschlossen und bei Angenstein-Estech AG eine Festanstellung erhalten. Für die Firma sei er ein wertvoller Mitarbeiter.

Franz Imwinkelried ermuntert auch andere Unternehmen, diesen Schritt zu wagen. «Wir müssen den Geflüchteten eine Chance geben. Dann ist Migration kein Problem, sondern eine Chance.»

Auf eine Chance hofft auch Narges Zekavatbakhsh. Ähnlich wie viele andere Geflüchtete kann sie es kaum erwarten, wieder zu arbeiten.

Regionaljournal Basel, 6.8.2024, 17:30 Uhr ; 

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