Von Polizisten begleitet wird der Islamist letztes Jahr ausgeschafft. Er sei eine «Gefahr für die innere und äussere Sicherheit der Schweiz». SRF Investigativ findet den 23-Jährigen diesen Januar in der kosovarischen Hauptstadt Pristina. Der Empfang überrascht: Der Terrorverdächtige serviert Erdbeeren.
Aufgewachsen ist er im Berner Oberland. Dort erinnert sich ein Imam, wie sich der junge Mann IS-Unterstützern zuwandte: «Er ist öfters nach Zürich und Winterthur gegangen», erzählt der Imam. Zunehmend habe er begonnen, IS-Propaganda zu verbreiten. Darauf habe man ihn aus der Moschee ausgeschlossen.
«Die radikalisierten Personen werden immer jünger»
Islamistische Extremisten sind in der Schweiz noch immer aktiv. Das bestätigt Christoph Gnägi vom Bundesamt für Polizei (Fedpol) und fügt an: «Die radikalisierten Personen werden immer jünger.» Zudem stehe oft nicht mehr «der reine Dschihadismus» im Vordergrund, es kämen persönliche Probleme oder Hass auf eine sexuelle Minderheit dazu, die zu einem Gewaltpotential führten, sagt Fedpol-Sprecher Gnägi.
Mit rund 70 hängigen Strafverfahren bleibe die Zahl «auf hohem Niveau stabil», schreibt die Bundesanwaltschaft auf Anfrage. Auch der Nachrichtendienst des Bundes beurteilt die Terrorbedrohung für die Schweiz als «erhöht».
Der ausgeschaffte Berner Oberländer steht laut Recherchen von SRF Investigativ im Zentrum eines internationalen Netzwerks von IS-Verdächtigen. Dazu gehören zwei Männer, die im September 2022 in Genf und im Kanton Waadt festgenommen wurden.
Ausserdem stand er in persönlichem Kontakt zu einem Deutsch-Pakistaner, der wegen Unterstützung der Terrororganisation Al Kaida eine Gefängnisstrafe verbüsste. Und beide sind mit der sogenannten Winterthurer Islamistenszene verbunden.
Zeitgleich mit der erneuten Festnahme des Deutsch-Pakistaners im Juni 2022 in Deutschland wurden in Winterthur drei IS-Verdächtige festgenommen. Mindestens zwei kennt der Oberländer seit 2019. Das geht aus einer Ermittlungsakte über ein Islamisten-Treffen im Kanton Schaffhausen hervor.
Verdacht auf Spendensammlung
Ermittlungsakten, die SRF Investigativ einsehen konnte, zeigen zudem: Die Behörden entdeckten Hinweise auf Geldsammlungen. Polizeilich bekannte Islamisten sollen Geld auf ein Konto eines 20-jährigen Winterthurer Konvertiten einbezahlt haben.
Von dessen Konto aus seien Geldbeträge nach Deutschland geflossen. Eine mutmassliche Transaktion ist besonders pikant: Ein Mann in Giessen soll 2020 einmal 80 Euro, später 60 Euro erhalten haben. Dabei handelt es sich um einen der Teilnehmer des «Sommer-Treffens» mit dem späteren Attentäter des Terroranschlages von Wien mit vier Toten.
Für den Forscher Johannes Saal von der Universität Luzern zeigt sich in Winterthur typisch, wie sich Mitglieder von Netzwerken schon vor ihrer Radikalisierung gekannt haben.
Die Wohnung des mutmasslichen Geldsammlers in Winterthur stellt sich laut Akten als ein Treffpunkt des Netzwerks heraus: Der 20-Jährige soll den verurteilten Deutsch-Pakistaner empfangen haben – und auch mehrere IS-Verdächtige aus der Region. Die Strafverfahren gegen die fünf verhafteten jungen Männer sind hängig. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Abgeschlossen sind die Verfahren gegen den ausgeschafften Kosovaren aus dem Berner Oberland. Ein Teil wurde eingestellt, verurteilt wurde er wegen Widerhandlungen gegen das IS-Gesetz und wegen Besitzes von Gewaltdarstellungen. 20 Jahre darf er nicht in die Schweiz einreisen. Als SRF Investigativ ihn in Pristina mit Fragen zu seinem Netzwerk konfrontiert, verweigert er jede Aussage.