Er meldet sich dann zu Wort, wenn ein Land die Menschenrechte verletzt und zum Beispiel Gefangene foltert: der Schweizer Nils Melzer, UNO-Sonderberichterstatter für Folter. Letztes Jahr zum Beispiel bezeichnete er die Inhaftierung von Wikileaks-Gründer Julian Assange als «psychische Folter». Nun interveniert Melzer in der Schweiz, beim Aussendepartement, wegen des wohl bekanntesten Schweizer Strafgefangenen: Brian.
Seit August 2018 sitzt Brian, der als «Carlos» bekannt geworden war, praktisch ohne Unterbruch im Zürcher Gefängnis Pöschwies in Sicherheitshaft – er wartet auf ein rechtskräftiges Urteil, weil er im Gefängnis Personal angegriffen und mit dem Tod bedroht haben soll. Gemäss seinen Anwälten muss er 23 Stunden am Tag allein in seiner Zelle verbringen, ohne jeglichen Kontakt zu anderen Gefangenen, Familienbesuche und Arzt-Untersuchungen fänden nur hinter Glas statt.
Isolationshaft verletzt Anti-Folter-Konvention
Das sei ein unmenschliches Haftregime, sagt UNO-Sonderberichterstatter Nils Melzer, der die Akten und Gutachten zum Fall Brian in den letzten Wochen gesichtet hat, zu Radio SRF. «Die UNO-Standards für die Haft weltweit besagen, dass Isolationshaft nur in Ausnahmefällen zur Anwendung kommen darf und in keinem Fall länger als 15 Tage», sagt Melzer, «im Fall vom Brian sind wir mit fast drei Jahren weit über dem akzeptablen Mass».
im Fall vom Brian sind wir mit fast drei Jahren weit über dem akzeptablen Mass an Isolationshaft.
Damit werde die Anti-Folter-Konvention der UNO verletzt, so Melzer. Er hat darum am 9. Juni schriftlich beim Eidgenössischen Departement des Äusseren EDA interveniert. Seine Forderung: Brians Haftbedingungen müssten deutlich gelockert werden: «Es gibt auch Haftformen, bei denen Gewaltausbrüche verhindert werden können, ohne dass es zu einer Isolationshaft kommen muss.»
Das EDA nimmt laut eigenen Angaben innert 60 Tagen Stellung zu Melzers Intervention. Verantwortlich für Brians Haftregime ist das Zürcher Amt für Justizvollzug und Wiedereingliederung. Auf konkrete Fragen von Radio SRF ging das Amt am Freitag nicht ein. Es schreibt, zum gegenwärtigen Zeitpunkt stelle es keinerlei Anhaltspunkte für unrechtmässige oder unverhältnismässige Haftbedingungen fest.
Trotzdem habe das Amt von sich aus die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter gebeten, die Situation im Gefängnis Pöschwies vor Ort zu untersuchen. Die Kommission werde Brian Anfang Juli besuchen. Ausserdem würden regelmässig Alternativen zum gegenwärtigen Haftregime geprüft.
Vorerst wird daran aber nichts geändert – Brian bleibt in Isolationshaft. Voraussichtlich am Mittwoch veröffentlicht das Zürcher Obergericht sein Urteil zu einem weiteren Prozess im Fall Brian, dem 25-Jährigen droht die Verwahrung.