314 Millionen Franken hat das Parlament bewilligt, damit das veraltete System der militärischen Luftraumüberwachung «Florako» durch das neue Produkt «SkyView» abgelöst werden kann.
Doch seit langer Zeit kämpft das Projekt mit gravierenden Problemen. In diesem Sommer hat die Armee bei sechs Projektverantwortlichen eine Befragung durchgeführt, um herauszufinden, wo die Ursachen liegen. Der Bericht zur sogenannten «Pulsmessung» vom 8. August, der den Vermerk «Intern» trägt, liegt den sicherheitspolitischen Kommissionen des Parlaments und auch Radio SRF vor.
Ungeschminkt beschreibt das Papier, gestützt auf neun Stunden Befragung «fundamentale Meinungsverschiedenheiten und persönliche Differenzen», wie es im Bericht wörtlich heisst. Es herrsche «absolutes Misstrauen» vor, stellen die Autoren fest.
Zerrüttete Verhältnisse
Auf neun Seiten listen sie Zitate aus den Befragungen auf, die völlig zerrüttete Verhältnisse beschreiben. Ausschnitte lauten wie folgt:
- «Das gegenseitige Vertrauen ist nicht vorhanden.»
- «Extrem ineffizient.»
- «Nirgendwo habe ich so wenig Führung in einer Firma gesehen wie hier.»
- «Der, der die Finanzen führt, hat wenig Ahnung von der Technik und umgekehrt: der Blinde und der Taube.»
- «Es wird immer schlimmer.»
- «Es wird nicht entschieden.»
- «Maximal mühsam.»
- «Die Situation geht auf die Psyche. Warum schreitet keiner ein?»
Geschönte Berichte gegen oben?
Meldungen über Missstände würden «auf ihrem Weg nach oben vermutlich verändert», heisst es im Bericht. Aus Angst vor möglichen Konsequenzen würden Probleme «geschönt». Dazu heisst es:
- «Nach oben wird gefiltert.»
- «Handlungsrichtlinien sind plötzlich übers Wochenende einfach weg.»
- «Die Situation wird verschönt, bis es chlepft.»
Es bestehe «akuter Handlungsbedarf», bilanzieren die Autoren des Berichts. Das gegenseitige Vertrauen sei «massiv gestört». Es werde «gegeneinander statt miteinander» gearbeitet. Wenn sich die Stimmung nicht innert weniger Monate «merklich» verbessere, seien weitere Abgänge von Schlüsselpersonen zu erwarten.
Umstrittene Integration in Plattform
Besonders alarmierend: Die befragten Projektverantwortlichen haben grösste Zweifel, dass das Projekt je funktionieren wird. Bedenken haben sie vor allem, weil die neue Luftraumüberwachung über die neue Digitalisierungsplattform NDP laufen soll, ein Prestigeprojekt von Armeechef Thomas Süssli. So heisst es im «internen» Bericht:
- «Der Auftrag ist nicht erfüllbar.»
- «Hier ist nur noch das Prinzip Hoffnung am Werk.»
- «Man hätte schon früher die Reissleine ziehen sollen.»
- «Das lässt sich nicht flicken. Es geht so weiter, bis zum Zeitpunkt, wo einer kommt und sagt: ‹Wir sind fertig.›»
- «Der Zug ist abgefahren.»
Der Bericht empfiehlt der Armeeführung einen Neustart. Es sei zu prüfen, ob die beiden Projekte Luftraumüberwachung und Digitalisierungsplattform nicht wieder «entkoppelt» werden sollten.
Armeespitze hält am Projekt fest
Doch das möchte die Armee nicht, wie sie gegenüber Radio SRF erklärt. Am 4. November habe sich der zuständige Ausschuss unter Leitung von Armeechef Süssli für eine Variante entschieden, die auf der neuen Digitalisierungsplattform basiere. Und weiter: «Eine Arbeitsgruppe hat verschiedene Varianten geprüft und alle Varianten, die nicht auf der NDP basieren, wegen der vielen Unsicherheiten hinsichtlich Zeitverhältnisse, Kosten und Risiken als wenig erfolgversprechend beurteilt und entsprechend verworfen.»
Die Armeespitze hält also grundsätzlich am Modell fest, das von den internen Experten hinterfragt wird. Luftraumüberwachung und Digitalisierungsplattform würden nun «enger verknüpft», schreibt die Armee. Die Fragen der «technischen Umsetzung» seien geklärt. Bis zur nächsten Sitzung des Programmausschusses am kommenden Mittwoch würden nun mögliche Organisationsformen erarbeitet.
Fest steht, dass die neue Luftraumüberwachung ihren Betrieb nicht vor 2029 wird aufnehmen können – mit fünf Jahren Verspätung. Bis dann steigt mit jedem Tag das Risiko, dass das aktuelle System wegen Überalterung aussteigt.