Die Hosen stapeln sich bis unter die Decke. An Kleiderbügeln hängen Jacken, Hüte und Hemden. Dutzende Kisten füllen den Dachstock eines Mehrfamilienhauses im Stadtzürcher Kreis 4. Jeans, so weit das Auge reicht. Über 14'000 Kleidungsstücke und Accessoires hat Ruedi Karrer bis heute gesammelt.
Damit besitzt der 65-Jährige eine der grössten Jeanssammlungen überhaupt, er führt das einzige, markenunabhängige Jeans-Museum der Welt. Eine Leidenschaft, die ihren Ursprung bereits in der Kindheit hat.
Ein Paket veränderte sein Leben
Karrer wuchs in bescheidenen Verhältnissen im Kanton Graubünden auf, die zwölfköpfige Familie war auf Spenden angewiesen. Und eine solche Kleiderspende sollte Karrers Leben 1973 prägen. «In einem Paket waren zwei Levi's-Jeans», sagt er. «Seither bin ich angefressen von Jeans.»
Die Hosen gingen zwar an seine Brüder. Dennoch hatten sie eine magische Anziehungskraft auf den jungen Ruedi Karrer. Für ihn hatte die Jeans etwas Wildes, etwas Amerikanisches. Er wollte Rock-Star sein und die Jeans war Ausdruck von Rebellion.
Anfänglich kaufte Karrer Jeans auf Flohmärkten oder in Brockenhäusern, später bestellte er sie sich im Internet. Immer wieder erreichen ihn auch Spenden von Fans. In den sozialen Medien folgen Karrer rund 70'000 Menschen, viele kennen ihn auch von Ausstellungen etwa in Amsterdam oder München.
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Bild 1 von 4. Eine Jeans mit der ehemaligen US-Sängerin Marilyn Monroe gehört zu Karrers Schätzen. Bildquelle: SRF/Mayra Schmidt.
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Bild 2 von 4. Aktuell faszinieren ihn vor allem Jeans mit Abnutzungsspuren. Bildquelle: SRF/Mayra Schmidt.
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Bild 3 von 4. Zu seinem 60. Geburtstag liess sich Ruedi Karrer seine eigene Jeans herstellen … . Bildquelle: SRF/Mayra Schmidt.
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Bild 4 von 4. … und gestaltete sie nach eigenen Vorstellungen bis ins letzte Detail. Bildquelle: SRF/Mayra Schmidt.
Über die Jahre ist er auch an Besonderheiten gekommen. So besitzt Karrer etwa eine Hose, die über tausend Tage lang getragen wurde, ohne auch nur einmal gewaschen worden zu sein. Eine seiner Hosen ist über hundert Jahre alt, eine andere ist bedruckt mit der Schauspielerin Marilyn Monroe. Karrer sagt: «Der Besitzer getraute sich nicht mehr die Hose anzuziehen, weil er Angst hatte, sie ginge kaputt.»
Der Traum eines öffentlichen Museums
Karrer freut sich über jedes Modell, das er geschenkt bekommt. Auch wenn damit seine Probleme wachsen. Neben Zollkosten, die er für Lieferungen oder Spenden aus dem Ausland bezahlen muss und ihn finanziell belasten, wird auch der Platz in seinem aktuellen Ausstellungsraum knapp.
Es ist das häufigste Kleidungsstück der Welt und es gibt kaum Informationen dazu.
Darum wächst in Karrer auch die Sorge um die Zukunft seines Museums. Er fürchtet vor allem um das Wissen über Jeans, das verloren ginge, existierte sein Museum nicht mehr. «Es ist das häufigste Kleidungsstück der Welt und es gibt kaum Informationen», hält er fest. Es gäbe nur ganz wenige Bücher – und das in einem Milliardenmarkt.
Schon lange würde Karrer deshalb gerne seinen Dachstock in der Zürcher Innenstadt räumen und seine Leidenschaft in einem grossen, öffentlichen Museum zur Schau stellen. «Der Enthusiasmus ist eigentlich da», sagt der 65-Jährige.
Gescheitert ist die Idee bislang am Geld. Karrer will nichts dafür ausgeben. «Das liegt einfach nicht in meinen Genen. Darum bin ich noch in meinem Dachstock.»