Zwei Unbekannte sollen in der Nacht auf Freitag in Davos GR einen 19-jährigen Orthodoxen angegriffen, bespuckt und mehrfach geschlagen haben. Eine entsprechende Anzeige ist bei der Kantonspolizei Graubünden eingegangen, wie deren Sprecherin auf Anfrage bestätigte. Sichtbare Verletzung habe er keine gehabt.
SRF trifft das 19-jährige mutmassliche Opfer. Dieses erzählt, wie es gegen 00:45 Uhr auf der Promenade unterwegs gewesen und plötzlich von zwei Männern angegriffen worden sei. «Einer stand plötzlich vor mir, der andere neben mir. Ohne Vorwarnung fingen sie an, auf mich einzuschlagen.»
Obwohl der Mann unter Schock gestanden habe, sei es ihm gelungen, sich zu wehren. Er habe die Angreifer zurückgestossen und sei schliesslich geflohen, während die Angreifer ihn verfolgt und «Free Palestine» gerufen hätten. Ein Passant sei ihm zu Hilfe gekommen, doch die Angreifer hätten ihm die Kippa vom Kopf gerissen und ihn bespuckt. Schliesslich seien sie geflüchtet, als er laut gerufen habe: «Ruft die Polizei!»
Der Vorfall habe den jungen Mann traumatisiert, obwohl er körperlich unverletzt geblieben sei. «Ich war schockiert, dass so etwas hier passieren kann», sagt er. Er habe fast drei Jahre in Davos studiert und sich immer sicher gefühlt. Zurzeit verbringt er – wie viele andere Juden – seine Ferien in Davos.
Er glaubt, dass die Täter keine Schweizer gewesen seien, da sie unter anderem kein Deutsch gesprochen hätten.
Ein solcher Vorfall hätte sich auch in Zürich, Genf oder Basel ereignen können.
In Davos kam es in den letzten Jahren vermehrt zu antisemitischen Vorfällen. Zuletzt machte der Fall eines Restaurantbesitzers, der keine Schlitten mehr an Juden vermieten wollte, weltweit Schlagzeilen. In der Folge wurde die Task Force «Verständigungsprozess Davos» gegründet, mit dem Ziel, die Verständigung zwischen der Davoser Bevölkerung und den internationalen Gästen zu fördern.
Laut dem Generalsekretär des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes (SIG), Jonathan Kreutner, handelt es sich bei dem Vorfall in Davos nach derzeitigem Kenntnisstand nicht um ein Missverständnis zwischen der einheimischen Bevölkerung und einem jüdischen Touristen in Davos. Darauf deute auch die Aussage des Opfers hin, wonach die Täter «Free Palestine» gerufen hätten, sagt Kreutner gegenüber SRF.
Vielmehr sei der Angriff auf den 19-jährigen Orthodoxen im Kontext der aktuellen weltpolitischen Lage und der allgemeinen Stimmung in der Schweiz zu sehen, die Übergriffe auf Juden begünstige. Erst im März hatte ein 15-Jähriger in Zürich einen Juden mit einem Messer schwer verletzt.
«Ein solcher Vorfall wie in Davos hätte sich auch in Zürich, Genf oder Basel ereignen können», so Kreutner.
Dass Menschen so angegriffen werden, erschüttert mich.
Besorgniserregend ist laut dem SIG-Generalsekretär, dass Übergriffe auf Juden in der Schweiz bis zum 7. Oktober – der Tag, an dem die radikal-islamistische Hamas Israel angriff (Anm. d. Red.) – sehr selten gewesen sind, seither aber fast zum Alltag gehören. Deshalb braucht es Kreutner zufolge mehr Sensibilität bei den Behörden in der Schweiz, sowie auch bei der Polizei in Graubünden.
Ähnlich besorgt zeigt sich der Davoser Landammann Philipp Wilhelm. «Dass Menschen so angegriffen werden, erschüttert mich». Die Sicherheit aller Menschen vor Ort habe für die Gemeinde Davos höchste Priorität, sagt der Gemeindepräsident von Davos gegenüber SRF.