Rita blättert in einem Fotoalbum und erzählt: «Hier waren wir auf der Herbstmesse.» In dem Fotoalbum sind Erinnerungen festgehalten. Erinnerungen an Ausflüge, die sie zusammen mit ihrer Gruppe gemacht hat: Wanderungen, ein Workshop bei einer Floristin oder einen Ausflug ins Museum.
Rita ist Teil der Gruppe «Atrium Jung» im Basler Demenzzentrum «Wirrgarten». Rita ist noch keine 65 Jahre alt und hat bereits eine Demenzerkrankung.
Das «Atrium Jung» richtet sich an Menschen im Alter zwischen 50 und 70 Jahren, die in einem frühen Stadium der Demenzerkrankung sind. An einem Tag in der Woche trifft sich Rita mit anderen, die das gleiche Schicksal haben: Eine Demenz-Diagnose vor dem Erreichen des AHV-Alters. Dies betrifft rund fünf Prozent der Demenzkranken in der Schweiz.
«Betroffene in jüngeren Jahren haben noch andere körperliche Ressourcen, haben noch viel mehr Energie», erklärt Birgit Sachweh, Geschäftsleiterin im Basler «Wirrgarten» und Mitinitiantin des «Atrium Jung». Deshalb benötigten sie auch eine andere Art der Betreuung. Das «Atrium Jung» macht das seit letztem Herbst möglich. Es findet an einem Tag in der Woche statt und bietet Platz für acht Betroffene.
Wichtiger Austausch mit anderen Betroffenen
Teil der Gruppe ist auch Balz, der Mann von Wilma. Balz hat im Alter von 57 eine Demenzdiagnose erhalten. Sie habe lange nach einem passenden Angebot gesucht, sagt Wilma. Es gebe aber viel zu wenig Angebote für Menschen, die jung an Demenz erkranken. Das sei eine Versorgungslücke, ist Wilma überzeugt, denn die bisherigen Angebote richten sich vor allem an 80- bis 90-Jährige.
«Mein Mann wäre dort verloren. Er ist noch wach, will noch diskutieren, und zwar mit Gleichaltrigen.» Balz erzählt, dass ihm der Austausch mit Gleichaltrigen und anderen Betroffenen viel bedeutet: «Im Alltag haben die Leute oft kein Verständnis und sind ungeduldig. Hier kann ich einfach reden oder auch mal weinen.»
Im Alltag haben die Leute oft kein Verständnis und sind ungeduldig. Hier kann ich einfach reden oder auch mal weinen.
Eine Demenz in jüngeren Jahren werde von Hausärzten oft nicht erkannt und es komme zu Fehldiagnosen wie Burnout oder Depression, sagt Birgit Sachweh. Häufig treffe es Menschen, die noch mitten im Berufsleben stehen. «Dann kommt diese Diagnose, die alles infrage stellt. Das ist eine schwere Erschütterung für die Menschen, die es betrifft. Aber auch für ihr ganzes Umfeld, für die Familie, für den Freundeskreis.»
Es brauche viel Mut, um nach einer solchen Diagnose das Leben weiterhin anzupacken und dies sei denn auch das Ziel des «Atrium Jung»: Die Lebensfreude und den Lebensmut zu erhalten. Die acht Mitglieder der Gruppe sind sich denn auch einig, dass ihnen der Ort viel Halt gibt. «Man merkt, man ist nicht allein. Wir sitzen alle im gleichen Boot», sagt Rita. Sei es beim gemeinsamen Kochen, bei den Ausflügen oder Gesprächen.
Man merkt, man ist nicht allein. Wir sitzen alle im gleichen Boot.
Das «Atrium Jung» ist ein Pilotprojekt. Die Erfahrungen werden zu einem späteren Zeitpunkt ausgewertet. Ziel ist, das Angebot auszubauen, eine Tagesstruktur für drei oder sogar vier Tage anbieten zu können, sagt Birgit Sachweh. Der Bedarf sei gross. «Wir gehen davon aus, dass in der Region Basel etwa 500 jüngere Leute betroffen sind.» Für sie gebe es noch kein passendes Angebot wie im «Atrium Jung», in dem an diesem Nachmittag auch noch getanzt wird. «Ohne Vorgabe. Frei nach Polo Hofer: D Stüehl ewägg», freut sich Rita.