Die Situation in vielen Spitälern und Intensivstationen in der Schweiz ist weiterhin sehr angespannt. Covid-Patientinnen und Patienten belasten die Kapazitäten – und die schweren Fälle betreffen häufiger als in den früheren Wellen auch jüngere Personen: «Die Hälfte der Fälle ist unter 53 Jahre alt», sagte Virginie Masserey vom BAG am Dienstag in Bern.
Nachfragen bei grösseren Spitälern bestätigen dieses Bild. Der Chefarzt des Inselspitals Bern, Stephan Jakob, bejaht gegenüber SRF, dass die Patienten jünger würden: «Früher lag der Median bei 60. Jetzt sind praktisch alle zwischen 40 und 60.» In Bern sei die Situation angespannt, aber noch tolerierbar. In Luzern sind zwei Drittel der Covid-Patienten in Spitalpflege unter 40, heisst es auf Anfrage. Und auch St. Gallen berichtet, es gebe eine Verschiebung hin zu jüngeren Patienten.
In der Ostschweiz läuft man mit aktuell 16 Covid-Patienten auf der Intensivstation nahe am Limit. «Es ist überall in der Schweiz extrem dicht auf den Intensivstationen und wir haben noch andere Patienten, die ebenfalls eine intensivmedizinische Behandlung benötigen», sagt Philipp Lutz, Kommunikationsverantwortlicher des Kantonsspitals.
Praktisch alle schweren Fälle ungeimpft
Dass die Patienten jünger werden, liegt für Lutz einerseits daran, dass im Unterschied zu den vorigen Wellen im Freien fast wieder Normalität herrscht und es wieder eine grosse Mobilität gibt, was zu mehr Fällen führe. Andererseits seien die meisten Älteren geimpft und so gut geschützt.
Auf den Stationen sind meiner Kenntnis nach die meisten ungeimpft, auf der Intensivstation sind es praktisch alle.
Eine höhere Impfquote wünschen sich alle Spitäler, von St. Gallen bis Bern. Denn es wird auf Nachfrage überdeutlich: Praktisch alle sind ungeimpft. «Auf den Stationen sind meiner Kenntnis nach die meisten ungeimpft, auf der Intensivstation sind es praktisch alle», sagt Stephan Jakob vom Inselspital. Die Spitäler in Luzern, Schaffhausen und St. Gallen berichten ähnliches.
Philipp Lutz besucht die Intensivstationen in der Ostschweiz regelmässig. Wenn er darüber spricht, spürt man Betroffenheit und ein gewisses Unverständnis. «Da liegen 40- und 50-Jährige – eigentlich noch junge Menschen. Es ist klar: Niemand, der da liegt, würde sich nochmals nicht impfen lassen.»
Das Problem der weiterhin dünne Personaldecke scheint sich zudem zu verschärfen. Der Chefarzt des Inselspitals, Stephan Jakob, berichtet: «Inzwischen ist unser Personal ausgelaugt, die Kündigungsrate ist viel höher und wir haben auch viel mehr Krankheitsausfälle.»
Das Personal ist nun schon seit eineinhalb Jahren ganz besonders gefordert. Physisch wie auch emotional.
Sei die Motivation am Anfang der Pandemie für Extraschichten oder Überstunden noch sehr gross gewesen, so leide diese inzwischen deutlich – wie auch das Verständnis für ungeimpfte Personen, die die Kapazitäten beanspruchen. Auch Philipp Lutz in St. Gallen berichtet: «Das Personal ist nun schon seit eineinhalb Jahren ganz besonders gefordert. Physisch wie auch emotional.»
Zurückhaltung bei politischen Forderungen
Den Spital-Verantwortlichen ist es ein Anliegen, die Öffentlichkeit auf die ernste Situation hinzuweisen, auch wenn «draussen» scheinbar verbreitet eine grosse Normalität herrsche. Gleichzeitig hoffen sie, dass schärfere Massnahmen verhindert werden können, mit politischen Forderungen sind sie zurückhaltend.
Nur in Bern wünscht man sich eine rasche Ausweitung des Zertifikats: «Für uns ist alles wichtig und richtig, was dazu beiträgt, die Welle zu brechen. Das ist eine vernünftige Lösung und funktioniert ja bereits im Ausland vielerorts ohne grössere Probleme», so Chefarzt Stephan Jakob.