Um die Impf- und Testbereitschaft des Pflegepersonals zu fördern, hat der Kanton Genf – bislang als einziger in der Schweiz – zu einem drastischen Mittel gegriffen: Pflegefachpersonen, die sich weder impfen noch testen lassen wollen, müssen mit einer Geldbusse rechnen. Dieser Erlass tritt heute (23. August) in Genf in Kraft.
Aber darf ein Kanton überhaupt eine Busse androhen, wenn sich Personen einer bestimmten Berufsgruppe nicht impfen oder testen lassen wollen?
Epidemiengesetz als juristische Grundlage
Da hat sich der Kanton Genf weit vorgewagt: Mauro Poggia, Genfer Gesundheitsminister, erklärte vor zwei Wochen als erster schweizweit eine Bussen-Androhung ans Pflegepersonal: «Es geht ja nicht darum, Leute ins Gefängnis zu schicken. Doch wenn ein Pfleger einen Test verweigert – es sind ja nur Spucktests einmal die Woche, nicht mal Nasenstäbchen – dann muss er gebüsst werden.»
Genf begründet die Busse hauptsächlich mit dem Epidemiengesetz. Bis zu 5000 Franken sollen diese betragen. Testunwillige Pflegende können durch die Heimleitung versetzt werden – weg von möglicherweise besonders gefährdeten Heimbewohnern – denen trotz eigener Impfung eine Ansteckung drohen kann.
Verhältnismässigkeitsprinzip nicht gewährleistet?
Mit dieser personalrechtlichen Sanktion sei der Zweck des Epidemiengesetzes erfüllt, sagt Jurist Markus Mohler, der an der Volkshochschule beider Basel als Dozent für öffentliches, Sicherheits- und Polizeirecht tätig ist. Die Busse widerspreche deshalb dem verfassungsmässigen Verhältnismässigkeitsprinzip. Wer bereits versetzt sei, dürfe nicht auch noch gebüsst werden. «Weil es auch nicht erforderlich ist, um das Ziel zu erreichen», so Mohler weiter.
«Die personalrechtliche Sanktion erreicht das Ziel, diese nicht geimpften Pflegepersonen dürfen dort nicht mehr arbeiten. Ende der Durchsage. Da ist der Zweck erreicht. Dann braucht es nicht obendrauf, nach dem Motto doppelt genäht hält besser, noch eine Busse. Sie bringt nichts mehr, sie ist nicht erforderlich und auch nicht geeignet, irgendeinen Patienten zu schützen.»
Nicht getestetes Personal zu versetzen, um Patienten in Heimen zu schützen, das sei zweckmässig und genüge, ist Mohler überzeugt. Die Genfer Gesundheitsdirektion aber hält an der Rechtmässigkeit der Busse fest und schreibt. «Der Entscheid trägt dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit Rechnung und wägt die betroffenen Interessen ab.»