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Entschädigung für verspätete Flüge: Jurist will Leiturteil
Aus Espresso vom 18.06.2018. Bild: Keystone
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Kampf für Fluggastrechte Entschädigung für verspätete Flüge: Jurist will Leiturteil

Das Wichtigste in Kürze

  • Ab einer Verspätung von drei Stunden haben Flugpassagiere eine Entschädigung bis zu 600 Euro zugute. Dies hat das höchste Gericht Europas vor bald zehn Jahren entschieden.
  • Die Schweizer Airlines Swiss und Edelweiss – aber auch ausländische – wimmeln verärgerte Kunden hierzulande reihenweise mit dem Hinweis ab, die EU-Rechtssprechung habe auf die Schweiz keinen Einfluss.
  • Im europäischen Ausland geht das nicht so einfach, dort zahlen dieselben Airlines deshalb meistens auch den vorgeschriebenen Schadenersatz.
  • Die kritischen Stimmen werden aber lauter. Es sei unfair und unlogisch, dass die Verspätungsregel in der Schweiz als ungültig betrachtet werde.
  • Erstmals strebt nun ein Schweizer Fluggastrechte-Portal einen Präzedenzfall vor Bundesgericht an.

Es war ein bahnbrechender Entscheid zugunsten der Konsumentinnen und Konsumenten: 2009 entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg, dass die Airlines ihren Kunden unkompliziert eine Entschädigung von bis zu 600 Euro pro Person zahlen müssen, wenn der Flug mit mehr als drei Stunden Verspätung startet oder landet. Denn: So eine massive Verspätung komme einer Annullierung gleich, urteilten die Richter.

Es war eine entscheidende Präzisierung der geltenden EU-Verordnung über die Fluggastrechte von 2004. Dort war das Thema Verspätungen bislang nicht geregelt. Es folgten weitere solche Ergänzungen durch EuGH-Entscheide: So gilt die Regel seit Kurzem auch für Anschlussflüge ausserhalb der EU oder bei Verzögerungen durch Streiks.

Airlines: «Regelung ist nicht zweckmässig»

Die Schweiz hat 2006 die Fluggastrechte-Verordnung der EU übernommen. Ob auch die nachträgliche, europäische Rechtssprechung mitberücksichtigt werden muss, das bleibt die grosse Streitfrage. Die Airlines Swiss und Edelweiss stellen sich auf den Standpunkt, man halte sich an die Verordnung, die Gerichtsentscheide hätten in der Schweiz keine Gültigkeit.

Das ist eine nicht akzeptable Ungleichbehandlung.
Autor: Roland Schmid Deutscher Fluggastrechts-Spezialist

Und sowieso erachte man die aktuelle Verspätungsregelung als «nicht zweckmässig», schreibt die Swiss auf Anfrage des SRF-Konsumentenmagazins «Espresso». Bei andern Airlines tönt es ähnlich.

Innerhalb der EU, wo die konsumentenfreundlichen Gerichtsurteile angewendet werden, müssen die Airlines hingegen die vorgesehene Entschädigung zahlen. «Das ist eine nicht akzeptable Ungleichbehandlung», findet der deutsche Fluggastrechts-Spezialist Roland Schmid, der die Verspätungsregel 2009 vor dem EuGH erfolgreich erstritten hatte.

Schmid und sein Flugastrechte-Portal Fairplane haben seitdem für zahlreiche Airline-Kunden einen Schadenersatz herausgeholt. Bei anderen solchen Portalen tönt es ähnlich. In mehreren Fällen hätten auch die Schweizer Airlines Swiss und Edelweiss am Ende das Portemonnaie aufgemacht, schreibt das spanische Portal Reclamacion de vuelos.

Auch Schweizer können im Ferienland nach einer solchen Stelle suchen und ihre Ansprüche dort anmelden. Diese Portale kassieren aber etwas, meist behalten sie die Hälfte des erstrittenen Betrages für sich. Das ist aber wohl für viele der einfachere Weg, als im Ausland vor Gericht zu ziehen.

«Diese Frage ein für alle Mal klären»

Aber nun will auch ein Schweizer Jurist Gas geben. Vor einigen Monaten hat Simon Sommer mit dem Schweizer Fluggast-Portal cancelled.ch gestartet. Sein Ziel: Ein Bundesgerichts-Entscheid. Denn ein solcher wäre wegweisend für die Praxis. «Es ist überfällig, dass diese Frage auch für die Schweiz ein für alle Mal geklärt würde», so Sommer gegenüber «Espresso».

EU-Kommission: Schweiz soll sich am europäischen Richterrecht orientieren

Bis es soweit ist, dürfte es aber noch dauern. Bislang gab es erst zwei Bezirksgerichtsentscheide, die allerdings den Status quo zementiert haben. Also dass die EU-Rechtssprechung in der Schweiz keine Anwendung finden soll.

Die EU selbst ist anderer Meinung: Zwar sei das sogenannte «Richterrecht» in der Schweiz nicht «als solches» anwendbar. Aber die Behörden und Gerichte seien angehalten, sich an diesem zu orientieren, schreibt die EU in einem Mail, das «Espresso» zugespielt wurde.

Beim zuständigen Bundesamt für Zivilluft (Bazl) will man sich zu dieser politischen Frage nicht äussern. Sprecherin Nicole Räz lässt aber durchblicken, dass man mit der heutigen Situation auch nicht glücklich sei und sich eine Anpassung der EU-Passagierrechts-Verordnung über die Fluggastrechte wünsche. Denn die Verordnung wird ja auch in der Schweiz angewendet. Eine Anpassung ist in der EU schon länger ein Thema, wird aber nicht prioritär behandelt und liegt zurzeit auf Eis.

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