Testen, testen, testen: Die Aussage von Bundesrat Alain Berset am Dienstag beim Besuch des Flughafens Zürich war klar. Um einen Weg aus der Pandemie zu finden, sei es an der Zeit, noch mehr zu testen.
Berset äusserte zudem die Hoffnung, dass Selbsttests bald zugelassen werden. «Es wird jetzt sehr rasch gehen, dass es für alle möglich sein wird, sich zu Hause selbst zu testen. Das würde uns auch eine bessere Begleitung der Pandemie erlauben.»
Es wird jetzt sehr rasch gehen, dass es für alle möglich sein wird, sich zu Hause selbst zu testen. Das würde uns auch eine bessere Begleitung der Pandemie erlauben.
Im Gegensatz zu den Aussagen Bersets stehen die Äusserungen zu den Selbsttests von Anne Lévy, Direktorin des Bundesamtes für Gesundheit (BAG).
Wir wollen den Überblick in der Pandemie behalten. Wenn die positiven Resultate nicht gemeldet werden, wissen wir nicht, wer positiv ist.
Die Qualität der Selbsttests müsse gewährleistet sein und im Falle eines positiven Resultats müsste ein Bestätigungstest gemacht werden, so Lévy. «Wir wollen den Überblick in der Pandemie behalten. Wenn die positiven Resultate nicht gemeldet werden, wissen wir nicht, wer positiv ist.»
Uneinigkeit auch in der Wissenschaft
Volker Thiel ist Virologe an der Universität Bern und einer der führenden Coronavirus-Forscher. Die Diskussion um Selbsttests gebe es nicht nur auf politischer Ebene: «Es gibt sie auch in der Wissenschaft, nicht nur zwischen dem Bundesrat und dem BAG.» Die unterschiedlichen Meinungen hält er nicht für einen Widerspruch. «Ich nehme an, dass das BAG konservativer ist bei der Beurteilung.»
In der Wissenschaft gebe es Vertreter von beiden Seiten, meint auch SRF-Wissenschaftsredaktor Thomas Häusler. Gewisse Teile würden darauf drängen, viele Selbsttests zu machen, andere seien in diesem Bereich eher skeptisch. Die Skepsis ergebe sich aus mehreren Gründen: «Es gibt grosse Vorbehalte bezüglich der Zuverlässigkeit der Tests.»
Studien hätten ergeben, dass das Ergebnis deutlich ungenauer ausfalle, wenn man die Probe selbst nehmen müsse, aber: «Andere Studien sagen genau das Gegenteil», so Häusler.
Die grössten Vorbehalte in der Wissenschaft würden das Verständnis der Tests betreffen. «Forscher befürchten, dass die Leute das Gefühl haben, sich frei testen zu können, um danach beispielsweise die Grosseltern ohne Schutzmassnahmen besuchen zu können. Dem ist nicht so.»
Auf einer individuellen Ebene sei eine gewisse Ungenauigkeit gegeben, so Häusler. «Es handelt sich um eine Momentaufnahme, bei welcher manche Menschen ein falsch negatives Testergebnis erhalten.»
«BAG fürchtet wilde Konstellation»
Wieso das BAG bei der Beurteilung der Selbsttests eher zurückhaltend agiert, kann Thomas Häusler nur vermuten: «Die Verbindlichkeit bei solchen Tests fehlt.» Die Befürchtung, dass bei mehr Selbsttests die Übersicht verloren geht, kann Häusler nachvollziehen.
«Bei einem Selbsttest und einem positiven Resultat sollte man auch einen Test beim Arzt machen. Doch wie viele machen das wirklich? Und wie viele isolieren sich nach einem positiven Selbsttest?»
Das BAG würde möglicherweise eine wilde Konstellation fürchten, dass jeder macht, was er möchte, und das Ganze nicht gesteuert ist. Es drohe die Gefahr, dass es durch die Selbsttests einen Wildwuchs in der Schweiz gebe, so Häusler.
Tests richtig anwenden
Die Tests hätten einen Nutzen, davon sind Häusler und Thiel überzeugt. Doch eine richtige Anwendung sei wichtig, so Häusler: «Wissenschaftler, welche Selbsttests propagieren, möchten, dass beispielsweise alle Menschen in einem Gebiet regelmässig einmal pro Woche einen Test machen müssen.»
Solche breit angelegten systematischen Testaktionen seien hilfreich, um Übertragungsketten zu unterbrechen, das hätten Modellrechnungen gezeigt. Ist das die Zukunft der Selbsttests in der Schweiz?