Es herrscht eine Flüchtlingskrise wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. In der Schweiz treffen viele Asylsuchende ein – nicht nur aus der Ukraine. Die Bundesasylzentren sind voll, die Kantone müssen einspringen. Trotz Kritik sind Kantone und Bund dennoch zufrieden mit der Zusammenarbeit. Auch die Akzeptanz und Solidarität in der Bevölkerung sei gross.
Wir haben eine Verdoppelung an Personen, die wir betreuen müssen seit Anfang Jahr.
Am meisten Kritik muss der Bund einstecken, und zwar für den Entscheid, vorzeitig Asylsuchende in die Kantone zu schicken: «Wir haben eine Verdoppelung an Personen, die wir betreuen müssen seit Anfang Jahr. Und wenn dann der Bund kommt und sagt, ihr müsst noch mehr von unserem Teil übernehmen, wirft das doch einige Fragen auf.» So fasst Marianne Lienhard die Stimmung zusammen. Sie ist Vizepräsidentin der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (SODK) und Glarner SVP-Regierungsrätin.
Unterkünfte für Asylsuchende gesucht
Lienhard fordert vom Bund, dass er die Plätze in den Bundesasylzentren noch weiter erhöht, wie sie im Gespräch mit SRF erklärt.
Christine Schraner Burgener, Direktorin des Staatssekretariats für Migration (SEM), verweist auf Armeeunterkünfte, die nun umgenutzt werden: «Wir haben dank eines Notfallplans schon 9000 statt 5000 Plätze. Die Armee stellt Mehrzweckhallen und auch Kasernen zur Verfügung.»
Umwandlung von Ferienheim und Messezentrum
Bereits im Frühling hatte der Kanton Glarus mit Aufrufen nach geeigneten Unterkünften gesucht – zum Beispiel Ferienheime. Die Angebote treffen laut Marianne Lienhard sehr zahlreich ein. In ländlichen Kantonen sei die Unterbringung einfacher. Der Kanton Genf etwa musste dagegen auf dem ehemaligen Areal des Autosalons beim Messezentrum Palexpo eine Massenunterkunft errichten. Diese könnte bis zu 700 Asylsuchende beherbergen.
Medizinische Betreuung benötigt
Auch die Betreuung sei eine grosse Herausforderung für die Kantone, sagt Lienhard: Beispielsweise fehlten Ärztinnen und Ärzte, um die Flüchtlinge zu behandeln. Der Kanton Glarus bittet nun pensioniertes Fachpersonal um Hilfe für die Behandlung von Flüchtlingen und Asylsuchenden.
Vor allem auch die Betreuung von abgewiesenen Asylsuchenden sei sehr anspruchsvoll, da diese Personen psychisch unter grossem Druck stünden. Viele Kantone würden an ihre Grenzen kommen, die Betreuung sei aber weiterhin gewährleistet, auch mithilfe von Zivildienstleistenden.
Positive Bilanz
Bund und Kantone ziehen bis jetzt eine positive Bilanz: «Das Asylsystem funktioniert. Wir haben seit 2015 viel gelernt», sagt Lienhard. «Wir haben auch punkto Akzeptanz in der Bevölkerung Fortschritte gemacht. Dies, weil es der Bund gut macht und weil es die Kantone gut machen. Wir sind leistungsfähig, um diese Krise gemeinsam zu meistern.»
Da wir Ghettos verhindern, die Asylsuchenden in alle Kantone verteilen und Integrationsprogramme anbieten, habe ich keine Angst.
Auch Christine Schraner Burgener vom SEM befürchtet nicht, dass es zu Angriffen auf Asylsuchende kommt wie beispielsweise in Deutschland: «Da wir Ghettos verhindern, die Asylsuchenden in alle Kantone verteilen und Integrationsprogramme anbieten, habe ich keine Angst.»