Viel Verantwortung liegt jetzt bei den Kantonen: Sie sollen bei neuen Corona-Fällen die Personen schnell testen und wenn nötig therapieren lassen. Zudem müssen sie alle Kontaktpersonen der Infizierten finden und in Quarantäne schicken. Kurz: Sie klären Infektionsketten auf, um sie zu brechen.
Doch es steckt noch mehr dahinter: Contact Tracing hilft zu erkennen, wie es eigentlich steht um eine Epidemie zu einer bestimmten Zeit.
Daten – Daten – Daten
Nicola Low, Mitglied in der Science Task Force zu Corona und Epidemiologin an der Unversität Bern, will so viele Informationen wie möglich. Im Moment hat sie davon ganz klar nicht genug: «Mit all diesen Informationen ergibt sich dann ein komplettes Bild über den Zustand der Epidemie.»
Mit all diesen Informationen ergibt sich dann ein komplettes Bild über den Zustand der Epidemie.
Die Liste der Fragen ist lang: Wie viele Tests fallen positiv aus? Wie viele Menschen, die in Quarantäne kommen, sind tatsächlich angesteckt? Gibt es Netzwerke innerhalb der Infektionsketten?
Minimaler Datensatz zum Anfang
Für den Moment konzentriert sich Nicola Low mit ihren Kollegen darauf, eine Art Minimalforderung zu formulieren: «Wir brauchen einen minimalen Datensatz mit minimaler Information über jede infizierte Person.»
Dieser Wunsch geht an die Kantone und ans Bundesamt für Gesundheit BAG. Es geht um Daten zu den Infizierten wie Alter, Geschlecht, Wohnsituation, Wohn- und Arbeitsort und Kontakte im Privaten.
Können die Behörden das leisten?
Doch es stellt sich die Frage, ob die kantonalen Gesundheitsämter inzwischen in der Lage sind, das Contact Tracing an sich durchzuziehen. Auch ohne besondere Wünsche an eine besonders gute Datensammlung.
Denn klassisches Contact Tracing macht viel Arbeit. Die Infizierten müssen nach Kontakten befragt werden, die Kontaktpersonen müssen gefunden, abtelefoniert und informiert werden. Zu Beginn der ersten Corona-Welle im März/April, war schnell klar: Das ist schweizweit nicht mehr zu schaffen.
BAG: Kantone inzwischen gut gerüstet
Das sei jetzt anders, sagt Mirjam Mäusezahl, Leiterin der Sektion epidemiologische Überwachung und Beurteilung im BAG: «Alle Kantone sind gut vorbereitet. Wir wissen, dass sie personell und technisch aufgerüstet haben, um Contact Tracing zu machen.»
Das gelte nicht nur für die aktuell relativ entspannte Situation. Es sei beruhigend zu wissen, dass die Kantone vorbereitet seien. Sie hätten das Ziel, das Contact Tracing durchzuziehen – auch bei einer zweiten Welle.
Die Kantone haben das Ziel, das Contact Tracing durchzuziehen – auch bei einer zweiten Welle.
Völlig sicher, ob die Ressourcen an Personal und Geld reichen werden, wenn es zu unverhofft grossen Ausbrüchen kommt, könne man natürlich nicht sein, so Mäusezahl. Und es sei auch schwer, klar zu sagen, bei wie vielen Fällen die Grenze des Machbaren erreicht sei. Corona bleibe unberechenbar.
Keine Prognosen zur zweiten Welle
Wie eine zweite Welle aussehen wird, wann, wo und wie sie kommt, und wann eine dritte oder vierte, das wisse im Grunde niemand. Man konzentriere sich deshalb darauf, die Situation jetzt zu durchdringen: «Wir machen hier keine Prognosen. Wir nehmen das und stellen uns darauf ein, was dann auf uns zukommt.»
Und da kommt der Wunsch nach mehr und nach besseren Daten aus der Science Task Force und von Epidemiologin Nicola Low wieder ins Spiel. Das BAG greift die Idee auf und will schnellstmöglich eine zentrale Datenbank entwickeln, sagt Mäusezahl: «Es hat höchste Priorität, und wir hoffen, dass wir das sehr rasch zur Verfügung haben werden.»