Der Bundesrat will den Bau von neuen Kernkraftwerken (KKW) nicht mehr grundsätzlich verbieten. Er hat am Mittwoch angekündigt, eine entsprechende Vorlage zu erarbeiten.
Damit wird es denkbar, dass in der Schweiz künftig neue Kernkraftwerke gebaut werden könnten. Das Verbot wurde bislang mit Sicherheitsbedenken nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima begründet. Eine neue Generation von Reaktoren könnte die Atomenergie aus Sicht von Befürwortern aber wesentlich sicherer machen.
Thorium statt Uran
Am Atomreaktor der Zukunft, an der sogenannten vierten Generation, tüftelt etwa das Start-up Transmutex in Genf. Statt dem gängigen Uran als Brennstoff soll deren Reaktor mit Thorium laufen – ein radioaktives Metall, das in der Erdkruste drei bis vier Mal häufiger vorkommt. Thorium ist aber nicht spaltbar, darum entwickelt das Unternehmen eine neue Anlage.
Um Thorium spaltbar zu machen und so Kernenergie zu gewinnen, braucht Transmutex einen Teilchenbeschleuniger. Er feuert grob gesagt Neutronen auf das Isotop Thorium-232 und wandelt es so in das spaltbare Uran-233 um.
Der Reaktor soll sicherer als herkömmliche Anlagen sein, weil die Kernspaltung nur abläuft, solange der Teilchenbeschleuniger arbeitet. «Wir haben einen Reaktor, der innerhalb von zwei Millisekunden abschaltet», sagt Franklin Servan-Schreiber, Chef und Gründer von Transmutex. Gekühlt werden soll der Reaktor mit Blei.
Das Paul Scherrer Institut (PSI) forscht in Villigen AG an den Komponenten der neuen Reaktorgeneration, wie sie Transmutex auch nutzen will. «Bleigekühlten Reaktoren attestiere ich generell ein gutes Sicherheitsverhalten», sagt Andreas Pautz. Selbst in einem Störungsfall würde die Kühlung gut funktionieren.
Eine Herausforderung werde es, den Teilchenbeschleuniger und den Reaktor zu kombinieren, so Pautz. «Der Brennstoff soll auf Thorium basieren. Da haben wir beschränkte Erfahrungen», gibt der PSI-Forscher zu bedenken. Das Konzept von Transmutex sei aber «in sich stimmig».
Viel Forschung und lange Bauzeit nötig
Die Schweizerische Energiestiftung (SES) ist skeptisch gegenüber der neuen AKW-Technologie. «Das Problem mit den neuen Technologien ist, dass es bis jetzt einfach nur Ideen sind», sagt Stephanie-Christine Eger, Leiterin Fachbereich Atomenergie. Die neuen Reaktoren und Verfahren müssten zuerst gründlich erforscht werden, das brauche viel Zeit.
Dann dauere auch der Bau von neuen AKWs sehr lange und koste viel Geld. «Deswegen sind sie im Moment keine zuverlässige Option, um unsere Klimaziele 2050 zu erreichen», so Eger. Stattdessen sollen rasch erneuerbare Energien mit Sonne und Wind zugebaut werden.
Entgegen diesen Erwartungen will Transmutex die neue AKW-Technologie sehr viel schneller in die Tat umsetzen. «Unser Zeithorizont ist etwa zwölf Jahre», sagt Servan-Schreiber.
Dritte Generation bewährt sich
Pautz vom PSI geht davon aus, falls die Schweiz künftig neue AKWs baut, dass es solche der dritten und nicht der vierten Generation sein werden. Das wären Leichtwasserreaktoren, wie sie noch heute etwa im KKW Gösgen oder KKW Leibstadt laufen. Die dritte Generation sei gut erprobt und es sei naheliegend, bei bekannter Technologie wieder anzufangen.
Ein AKW-Neubau dürfte so oder so lange dauern. Zunächst muss der Bundesrat auch seinen aktuellen Entscheid konkretisieren.