Zum Inhalt springen

Kein Unterricht für Schüler «Das Wichtigste ist, dass man die Schüler kontaktieren kann»

Seit Montag sind in der Schweiz die Schulen zu, Kinder und Jugendliche müssen zu Hause bleiben. Gelernt wird trotzdem: Viele Lehrer setzen auf digitales und auf selbst organisiertes Lernen. Für den Digital-Experten und Lehrer Philipp Wampfler stellt die jetzige Situation auch eine Chance dar.

Philippe Wampfler

Dozent für Fachdidaktik

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Wampfler ist Fachdidaktiker, Gymnasiallehrer, Experte für Lernen mit Neuen Medien und Dozent an der Universität Zürich.

SRF News: Welche Arten von Aufgaben eignen sich für das digitale Lernen zu Hause am bestens?

Philipp Wampfler: Aus meiner Sicht sind nun Projektaufgaben angesagt. Also Aufgaben, die über einen längeren Zeitraum andauern, bei welchen ein Lernprodukt entstehen kann und bei welchen die Schüler gewisse Freiheitsgrade haben.

Mehr Informationen

Haben Sie da konkrete Beispiele?

Man könnte ein Tagebuch mit Zeichnungen, Bildern, Videos aber auch mit Texten führen, ein Corona-Tagebuch sozusagen. Die Schüler sollen darin beschreiben, wie sie die Zeit erlebten.

Was braucht es beim digitalen Lernen für technische Voraussetzungen?

Das Wichtigste ist, dass man die Schüler überhaupt kontaktieren kann. Man braucht eine Adresse, wo sie betreut werden können und wo man auch auf bestimmte Aufgaben ein kurzes Feedback geben kann.

Mit Blick auf die Infrastruktur und den Lehrplan 21 sind die Voraussetzungen gut.

Zu Hause bräuchte es Kameras, Internetanschluss und entsprechenden Programme, mit denen man gut zusammenarbeiten kann. An meiner Schule arbeiten wir mit Office 365 und Microsoft Teams.

Ab welchem Alter sind solche Arbeiten möglich?

Projektarbeiten sind ab dem Kindergarten möglich. Ein ganz einfaches Beispiel: Man baut Papierflieger und schaut, welcher von ihnen am weitesten fliegt. Zum Schluss macht man einen Film daraus. Bereits die Kleinsten können digitale Projektarbeiten durchführen.

Was raten Sie jenen Eltern, die nicht die Kapazitäten haben, die Kinder anzuleiten?

Ich rate den Eltern, solidarisch zu sein und dass man eine gute Aufgabe auch einmal weitergibt. Es gibt diese «Schlaumeier-Plattform» im Internet. Dort können Eltern kleine Unterrichtssequenzen hochladen und andere damit inspirieren.

Im Moment braucht es Wertschätzung für gelungene Projekte.

Diese Sequenzen können auf Social Media geteilt werden und man kann sich dort vernetzen. Die Schulen arbeiten aktuell unter Hochdruck. In zwei Tagen haben wir bereits Schulformen erfunden.

Digitaler Unterricht verlangt auch von den Lehrern einiges ab. Wie stehen die Lehrer in der Schweiz diesbezüglich da?

Mit Blick auf die Infrastruktur und den Lehrplan 21 sind die Voraussetzungen gut. Die Unterschiede aber sind riesig: Da gibt es Klassen, bei denen die Schüler mit Tablets ausgerüstet sind. Und auf der anderen Seite gibt es Klassen, in denen man keine E-Mail-Adressen der Eltern hat, um diese erreichen zu können. Wir müssen ähnliche Voraussetzungen schaffen, damit sich diese Unterschiede nicht verheerend auswirken und die Schwächsten nicht abgehängt werden.

Wir müssen ähnliche Voraussetzungen schaffen, damit die Schwächsten nicht abgehängt werden.

Wie können Lehrpersonen bei solchen Projekten oder Gruppenarbeiten kontrollieren, ob die Schüler tatsächlich lernen und die Arbeiten richtig machen?

Vielleicht muss man sich von diesem Kontrollgedanken ein Stück weit verabschieden. Das Beispiel mit den Papierfliegern ist sichtbar und wirkt sich auch in der Nachbarschaft und im Quartier aus, man kann die Arbeit auch den Eltern zeigen. Das ist eine andere Lernmotivation, als wenn die Lehrerin kontrolliert, ob die Kinder die Matheaufgaben gemacht haben. Im Moment braucht es Wertschätzung für gelungene Projekte.

Gruppenarbeiten sind also weiterhin möglich?

Ja. Dieser soziale Aspekt ist ganz wichtig. Die Schule hat auch die Aufgabe, die Schüler zu ermutigen, einander anzurufen, Dinge miteinander zu besprechen und Schulaufgaben gemeinsam zu lösen.

Das Gespräch führte Claudia Weber.

SRF 4 News, 17.3.2020, 08:20 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel