Drei Botschaften verkündete Bundesrat Berset heute im Namen des Bundesrats. Erstens: Die Situation in den Spitälern, den Intensivstationen, ist (noch) unter Kontrolle. Zweitens: Wir alle können und müssen etwas dafür tun, dass sich die Situation nicht weiter massiv verschlechtert. Und drittens: Die Kantone sind in der Pflicht, sie sollen geeignete Massnahmen beschliessen.
Alle drei Botschaften sind richtig und sinnvoll. Aber sie haben alle einen Haken.
Schweiz droht Österreich-Situation
Ja, 20 Prozent Covid-Patienten auf den Schweizer Intensivstationen sind zwar eine zusätzliche Belastung für das ohnehin schon ausgelaugte Personal, aber es ist keine Krise. Die Präsidentin der wissenschaftlichen Taskforce, Tanja Stadler, hat gestern aber unmissverständlich klargemacht, dass in drei bis fünf Wochen auch in der Schweiz eine Überlastung der Spitäler droht wie aktuell in Österreich.
Dort sind die Intensivstationen am Anschlag und es muss deshalb bereits eine Selektion der Patientinnen und Patienten erfolgen. Die Dynamik der epidemiologischen Entwicklung ist die Gleiche – einfach mit einer Verzögerung von ein paar Wochen. Will man die Dynamik brechen, muss jetzt gehandelt werden und nicht erst, wenn die Lage in den Spitälern eskaliert.
Der Appell an die Eigenverantwortung jeder und jedes Einzelnen ist wichtig. Man weiss aus den vergangenen Monaten der Pandemie, dass die Bevölkerung durchaus auf eine Verschärfung der Situation reagiert und die Kontakte und Bewegungen einschränkt. Aber ebenso weiss man, dass dies bei einem exponentiellen epidemischen Geschehen nicht reicht. Die zweite Welle vor einem Jahr sollte in dieser Hinsicht Lehre genug sein.
Kantone wollen Zepter nicht
Ebenfalls richtig ist, dass die Kantone ihre jeweilige Situation besser abschätzen können als der Bund und deshalb die geeigneten Massnahmen ergreifen könnten. Der Haken: Die Kantone wollen das gar nicht.
Die Gesundheitsdirektorenkonferenz GDK, die sonst dem Bundesrat in den meisten Beschlüssen und Einschätzungen folgt, schreibt heute als Reaktion auf die bundesrätliche Kommunikation: «Die Erfahrung aus dem vergangenen Jahr zeigt, dass kantonal unterschiedliche Massnahmen bei einer Dynamik, wie wir sie derzeit sehen, in der Bevölkerung auf wenig Verständnis stossen.» Die Kantone fordern deshalb nationale Massnahmen wie eine Ausweitung der Maskenpflicht in Innenräumen, vermehrtes Homeoffice oder Kapazitätsbeschränkungen.
Damit fühlt sich die aktuelle Situation wie ein Déjà-vu vom November und Dezember im letzten Jahr an. Die Situation ist kritisch, der Bundesrat appelliert an die Eigenverantwortung und Bund und Kantone schieben sich die Verantwortung zu wie eine heisse Kartoffel. Am Schluss zog die Regierung kurz vor Weihnachten die Notbremse und liess die Restaurants sowie Freizeit-, Sport- und Kultureinrichtungen schliessen. Werden wir in ein paar Wochen auch dieses Déjà-vu haben?