Die Schweiz müsse Opfer von Menschenhandel besser schützen, sagt eine Experten- und Expertinnengruppe zu Menschenhandel des Europarats. Diese Gruppe hat Empfehlungen an die Schweiz abgegeben. Unter anderem fordert sie: Die Schweiz soll Opfer von Menschenhandel nicht zurückführen in andere Staaten.
Notlagen werden ausgenutzt
Rund 300 Menschen sind in den letzten fünf Jahren in der Schweiz offiziell identifiziert worden als Opfer von Menschenhandel. Zudem dürfte es eine grosse Dunkelziffer geben. Hinter diesen Fällen stecken Geschichten wie jene dieser Frau, die Géraldine Merz erzählt. Merz arbeitet bei der Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration: «Sie ist aus einem afrikanischen Land geflüchtet. Sie kam über die sogenannte Balkanroute und wurde dort ausgebeutet. Sie kam über Kroatien weiter bis in die Schweiz.»
Ausgebeutet, damit meint Géraldine Merz, dass diese Menschen zu Hausarbeit oder zur Prostitution gezwungen werden. Hier in der Schweiz erhielt die Frau psychologische Unterstützung von Opferschutzorganisationen.
Schweizer Plattform gegen Menschenhandel:
Die Behörden haben sie als Opfer von Menschenhandel anerkannt. Und gleichwohl wurde sie wieder aus der Schweiz ausgewiesen: «Sie war stark suizidal, hat auch in Kroatien Gewalt erlebt. Sie hat eine Wegweisung nach Kroatien erhalten. Sie wurde ohne Vorwarnung im Morgengrauen abgeholt und nach Kroatien gebracht.»
Schweiz klärt selbst ab
Solche Geschichten sollen sich nicht wiederholen, fordert die Expertengruppe des Europarats. Das gleiche Ziel verfolgt auch Georgiana Ursprung von der «Plateforme traite», einem Netzwerk gegen Menschenhandel. «Die betroffene Person muss nicht zurück in das Dublin-Land. Aufgrund dieser besonders vulnerablen Situation tritt die Schweiz auf das Asylgesuch selber ein und klärt ab, ob die Person schutzbedürftig ist, um das Risiko, dass die Person erneut Opfer von Menschenhandel wird, zu reduzieren.»
Es ist verheerend, wenn die Opferrechte missachtet werden und die Schweiz irgendwie auch Hand bietet, dass die Leute erneut diese Gewalttaten erleben müssen.
In seltenen Fällen passiere das auch, dass die Schweiz das Dublin-Abkommen übersteuere und den Asylantrag selber bearbeite, statt die Person zurückzuführen. Aber diese Fälle sind zu selten, aus Sicht von Ursprung: «Das geht zulasten der Opfer von Menschenhandel. Es ist verheerend, wenn die Opferrechte missachtet werden und die Schweiz irgendwie auch Hand bietet, dass die Leute erneut diese Gewalttaten erleben müssen.»
Für etwas hat man dieses Übereinkommen. Die Schweiz nimmt schon sehr viel Verantwortung wahr und geht dieses Problem an.
Anders beurteilt dies Nina Fehr Düsel. Die SVP-Nationalrätin befasst sich in der Rechtskommission mit dem Thema Menschenhandel. Und sie meint: «Für etwas hat man dieses Übereinkommen auch. Ich denke, die Schweiz nimmt schon sehr viel Verantwortung wahr und geht dieses Problem an. Darum denke ich auch, dass man überlegen muss, was die Ressourcen der Kantone sind. Eine solche Rückführung müsste möglich sein, auch wenn man nie einen 100-prozentigen Schutz hat.»
Zumutbar findet es die SVP. Opferschutz-Organisationen und die Gruppe des Europarats hingegen befürchten, dass diese Menschen nach der Rückführung erneut in die Hände von Menschenhändlern fallen.