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Bundesrat will Stiefkindadoption erleichtern
Aus Rendez-vous vom 27.06.2024. Bild: Imago Images
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Kinderrechte in der Schweiz Bundesrat will Stiefkindadoption erleichtern

Wer drei Jahre mit der Mutter zusammengelebt hat, soll das Kind der Partnerin nach der Geburt adoptieren können. Das will der Bundesrat.

Tina und Jo – die beiden Frauen möchten anonym bleiben – sind seit vier Jahren ein Paar. Sie sind seit zwei Jahren verheiratet. Sie hätten zueinander Ja gesagt, sobald das mit dem Ehe-für-alle-Gesetz möglich war, sagt Tina. Nicht nur für ein Leben zu zweit, sondern auch für ein Leben mit Kindern. «Wir setzen uns schon länger damit auseinander.»

Uns war wichtig, dass wir den Samenspender kennen, dass wir da ein Vertrauensverhältnis haben.
Autor: Tina Mutter einer Tochter

Dabei kommen gleichgeschlechtliche Paare rasch zur Frage, wie das Kind gezeugt werden soll, welche Art von Samenspender sie wollen. «Uns war wichtig, dass wir den Samenspender kennen, dass wir da ein Vertrauensverhältnis haben. Unser Kind darf den Samenspender von klein auf kennen, nicht erst mit 18 Jahren», sagt Tina. Die beiden Frauen entschieden sich für einen privaten Samenspender und gegen den Gang in die Samenklinik. Das sei ein Detail, könnte man meinen.

Aber als Tina schwanger wurde, sei ihnen bewusst geworden, dass es absolut kein Detail sei. Denn nun ist ihre Tochter neun Monate alt und hat nur einen Elternteil, die biologische Mutter. Wären die beiden Frauen in eine Samenklinik gegangen, wäre das anders: Jo wäre automatisch ab Geburt als zweite Mutter anerkannt worden. Da sie sich aber für einen privaten Samenspender entschieden, muss Jo die Tochter adoptieren – und das kann Jahre dauern.

Regeln nicht mehr zeitgemäss

Dieser grosse Unterschied bei der rechtlichen Anerkennung des nichtbiologischen Elternteils – je nachdem, wie das Kind gezeugt wurde – ist für den Bundesrat nicht mehr zeitgemäss. Eine Stiefkindadoption soll einfacher werden.

Konkret soll der Antrag am Tag der Geburt eingereicht werden dürfen und nicht wie heute erst ein Jahr danach. Und Paare müssen nicht mehr so viel von sich Preis geben. Zurzeit sind es mehr als ein Dutzend Dokumente, die eingereicht werden müssen.

Ein kleines Kind auf einer Wiese mit einem Stofftier, von hinten fotografiert.
Legende: Der Bundesrat will die Stiefkindadoption vereinfachen. (Symbolbild) Keystone/Anthony Anex

 «Das ist ganz sicher ein Fortschritt», sagt Karin Hochl. Die Anwältin ist spezialisiert auf nicht-traditionelle Familienmodelle und vertritt viele Fälle gleichgeschlechtlicher Paare mit Kinderwunsch. Schnellere Adoptionsverfahren seien ein Vorteil, vor allem für das Kind, sagt Hochl.

Ein Kind hat von Geburt an nicht die Chance, einen zweiten Elternteil zu bekommen, nur weil seine Eltern nicht drei Jahre lang in einem Haushalt gelebt haben.
Autor: Karin Hochl Anwältin

In einem Punkt geht ihr der Bundesrat aber zu wenig weit. Er möchte an der Bedingung festhalten, dass Paare mindestens drei Jahre zusammengelebt haben müssen, bevor sie eine Stiefkindadoption einleiten dürfen. «Das erachte ich aus Sicht des Kindes als Verletzung der Menschenrechte. Ein Kind hat von Geburt an nicht die Chance, einen zweiten Elternteil zu bekommen, nur weil seine Eltern nicht drei Jahre lang in einem Haushalt gelebt haben.»

Eignungstest für die nicht-biologische Mutter

Für Hochl ist aber klar: Jede Lockerung im Adoptionsrecht bedeute ein Meilenstein. Die gesellschaftliche Akzeptanz brauche Zeit.

Für Tina und Jo kommt der Vorschlag des Bundesrats zu spät. Sie müssen noch drei Monate warten, bis sie den Antrag zur Adoption einreichen können, am ersten Geburtstag der Tochter. Bis dahin gibt es viel zu tun, vor allem für Jo, die nicht-biologische Mutter. Sie muss den Eignungstest bestehen: «Ich muss meine Familiengeschichte dokumentieren und meinen beruflichen Werdegang aufzeigen.» Es komme ihr vor, als ob sie beweisen müsse, als Mutter geeignet zu sein. «Wir haben gehört, dass es auch Ablehnungen gibt. Diese Angst besteht.»

Wenn sie ihre Tochter anschaue, dann wisse sie: Sie sei Mutter. Es gehe nun darum, dass diese Beziehung durch den Staat anerkannt werde, damit die Familie auch rechtlich existiert und abgesichert ist.

Rendez-vous, 27.06.2024, 12:30 Uhr; sibl

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