Seit Wochen ist die evangelisch-reformierte Kirche in Aufruhr. Der Präsident des Rates der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz (EKS), Gottfried Locher, trat im Mai zurück. Ihm wird vorgeworfen, eine ehemalige Mitarbeiterin belästigt zu haben. Am Montag tagte das Kirchenparlament der EKS, die Synode. Dabei stand die Aufarbeitung der Vorfälle im Zentrum.
Und es kam Brisantes zutage: Locher habe eine Affäre mit einer weiteren Kirchenrätin gehabt – und zwar ausgerechnet mit Sabine Brändlin, die sich später mit der Beschwerde gegen Locher wegen Belästigung befasste. Brändlin war im April aus dem Kirchenrat zurückgetreten.
Der Kirchenrat – also die Kirchenregierung – wollte die Affäre wegen des Persönlichkeitsschutzes eigentlich nicht öffentlich machen. Doch Ulrich Knöpfel, selbst Ratsmitglied, machte den Sachverhalt publik. Er habe nicht anders handeln können, sagt er.
SRF News: Was hat Sie dazu veranlasst, mit der neusten Affäre um Locher an die Öffentlichkeit zu gelangen?
Ulrich Knöpfel: Es ist mir nicht leicht gefallen. Aber es handelt sich hier um ein Verhältnis, das in einem Gremium, wie wir es sind, nicht angängig ist. Das ginge auch nicht in einem Unternehmen, einem Gemeinderat oder im Bundesrat.
Brändlin hätte die Beschwerde gegen Locher gar nie bearbeiten dürfen.
Sabine Brändlin ist schon im April aus dem Kirchenrat zurückgetreten – vorher hatte sie sich mit der Beschwerde gegen Gottfried Locher beschäftigt. Ist das nicht doppelt problematisch?
Sie hätte die Beschwerde gegen Locher gar nie bearbeiten dürfen. Weil sie davor eine Liaison mit Locher hatte, muss man sie als befangen ansehen.
Das Verhältnis zwischen Locher und Brändlin hielt zwei Jahre lang. Was bedeutet das für jene Geschäfte, die während dieser Zeit im Kirchenrat behandelt wurden?
Da müsste man zuerst alle Geschäfte und Protokolle durchgehen. Das kann ich nicht auf Anhieb beantworten.
Ganz klar: Die andere Sache mit der Mitarbeiterin muss untersucht werden.
Im Zentrum der Vorwürfe gegen Locher steht aber die Belästigung einer anderen Frau. Besteht jetzt die Gefahr, dass durch die Öffentlichmachung des Verhältnisses Locher-Brändlin diese Vorwürfe aus dem Fokus geraten?
Irgendwie gehören beide Abläufe zusammen. Aber ganz klar: Die andere Sache mit der Mitarbeiterin muss untersucht werden – ebenso wie die Frage, ob es weitere irreguläre Beziehungen gegeben hat.
Die EKS steht vor einem Scherbenhaufen, ihr Ruf ist ruiniert. Es wird nicht mehr über Inhalte gesprochen, sondern nur noch über Lochers Affären. Müssten Sie da nicht die Konsequenzen ziehen und als Rat zurücktreten?
Wir liegen nicht am Boden, weil der Präsident und ein Ratsmitglied ausgeschieden sind. Die restlichen Ratsmitglieder haben ein sehr gutes Verhältnis untereinander, wir funktionieren. Wir müssen die Sache jetzt aufräumen, wir brauchen zwei neue Ratsmitglieder, ein neues Präsidium. Doch danach gehen wir weiter: Es warten wichtige Aufgaben auf die Kirche in unserer Welt, die ich anpacken möchte.
Sie ziehen persönlich also keine Konsequenzen?
Nein, ich sehe diese Notwendigkeit nicht. Wir haben gezeigt, dass wir in der Lage sind, eine solche Affäre einigermassen gut zu Ende zu bringen.
Das Gespräch führte Nicole Freudiger.