Sie tragen blaue T-Shirts, blaue Schals oder blaue Flaggen: Kritiker des eritreischen Regimes. Die «Rundschau» hat sie begleitet – unter anderem nach Genf, wo sie gegen ein Fest von Regierungstreuen demonstrierten. «Stoppt den Diktator!» skandieren die jungen Eritreerinnen und Eritreer, die vor dem Regime in ihrer Heimat geflüchtet sind. Sie fühlten sich in der Schweiz nicht sicher, erzählt Shalom Habte, Sprecher des eritreischen Medienbundes Schweiz: «Durch die Feste versucht der Diktator von Eritrea seinen Einfluss zu demonstrieren. Deshalb fühlen wir uns bedroht.» Die Feste seien eine Provokation: die Lieder, die Propaganda.
Die Bewegung der Oppositionellen nennt sich «Blue Revolution», ihre blaue Flagge geht auf die Zeit vor Machthaber Isayas Afewerki zurück. Sie fordern Demokratie, eine neue Regierung. Heute gibt es in Eritrea keine freie Presse, keine Verfassung, kein Parlament. Zudem soll der Einfluss des Regimes bis nach Europa reichen: Spione sollen Kritiker aushorchen, bedrohen und Steuern eintreiben. Die Schweizer Behörden würden zu wenig dagegen tun, meint Habte. Er habe mehrmals Briefe und Mails geschickt und erklärt, wie das Regime in der Schweiz vorgehe. «Jetzt hören die Behörden zu, weil es diese Eskalationen gegeben hat.»
Gewaltsame Zusammenstösse weltweit
Zum ersten Mal knallte es in Opfikon ZH vergangenen September: Rund um ein Eritrea-Fest kam es zu einer Massenschlägerei. Ein Dutzend Personen wurden verletzt. Anfang April erneut: Eskalation in Gerlafingen – Krawalle mit Eisenstangen, Steinen und Stöcken. Doch nicht nur in der Schweiz kommt es zu Ausschreitungen in der eritreischen Diaspora – auch in Israel, Norwegen, Schweden und Deutschland kam es in den letzten Monaten zu gewaltsamen Zusammenstössen der beiden Lager.
Der «Rundschau» erzählen die Regime-Befürworter, sie würden nicht verstehen, warum die jungen Eritreer ihre Feste stören. Seit Jahrzehnten würden sie diese in der Schweiz feiern. Für das Fest in Genf warben die Verantwortlichen mit einem Flyer, auf dem eine Frau in Militärkleidung zu sehen ist. Dass so für den umstrittenen Militärdienst in Eritrea geworben wird, stört die Organisatorin Aziyeb Berhe nicht: «In der Schweiz ist der Militärdienst auch obligatorisch! Mein Sohn hat ihn gemacht.»
Viele Regimetreue leben schon lange in der Schweiz, sind vor der Unabhängigkeit Eritreas geflohen und sehen in Afewerki einen Helden, der die Freiheit des Landes erkämpfte. «Er ist der Beste, er ist sehr stark», sagt eine Frau, die Afewerki gar als Hintergrundbild auf dem Handy hat. Er sei kein Diktator: «Das ist nicht wahr. Warum sagen das die Leute? Weil er sie nicht einfach machen lässt, was sie wollen.»
Politik will handeln
Die Gewalt führt zu politischen Diskussionen: Für SP-Nationalrat Fabian Molina ist klar, dass die Provokation von Seiten der regimetreuen Eritreer komme. «Wir wissen, dass es Strukturen gibt, die Geld für das Regime sammeln. Das können wir in der Schweiz nicht tolerieren.»
FDP-Ständerat Andrea Caroni verlangt in einer Motion Massnahmen: «Wenn der Bundesrat sagt, dass man jemanden, der Werbung für einen Diktator macht, nicht zurückschicken kann, braucht es offenbar eine Gesetzesänderung.»
Die kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) warnen aktuell in einem Brief die Städte und Gemeinden: Im Mai könne es vermehrt zu Gewalt kommen, da Eritrea am 24. Mai offiziell seine Unabhängigkeit feiert.