Im Kampf gegen die steigenden Kosten im Gesundheitswesen und die Folgen für Prämienzahlerinnen und -zahler hat der Nationalrat am Mittwoch weitere Pflöcke eingeschlagen.
Eine knappe Mitte-Links-Mehrheit entschied sich nach einer fast sechsstündigen, über zwei Tage verteilten Debatte für einen indirekten Gegenvorschlag zur «Kostenbremse-Initiative» der Mitte-Partei und empfahl diese dem Volk mit 156 zu 28 Stimmen zur Ablehnung.
Mit der Lösung kann auch Gesundheitsminister Alain Berset zufrieden sein, verankerte der Rat doch entgegen seiner Kommission Kosten- und Qualitätsziele im Gesetz. Die Mitte erzielte einen Teilerfolg, auch wenn ihr Begehren im Nationalrat chancenlos blieb.
Neue Kosten- und Qualitätsziele
So soll der Bundesrat künftig nach Anhörung aller Akteure im Gesundheitswesen Kosten- und Qualitätsziele für die Leistungen für die darauffolgenden vier Jahre festlegen. Jeder Kanton kann sich daran orientieren und dies ebenfalls tun.
Dieser Entscheid war am Dienstag mit 94 zu 91 Stimmen bei einer Enthaltung sehr knapp ausgefallen – und kam auch zustande, weil insbesondere mehrere SVP-Mitglieder während der Abstimmung abwesend waren. Für die Kostenzielvorgaben stimmten Mitte, SP und Grüne. Auf der Verliererseite waren SVP, FDP und GLP.
Druck auf Tarmed-Reform
Die unterlegenen Fraktionen argumentierten, dass die Versorgung unter gesetzlichen Kostenvorgaben leiden könnte. Bundesrat und Mitte-Links konterten: Die Lösung sehe keinen Automatismus vor, wonach Behandlungen nicht mehr gemacht werden dürften, sobald das Kostenziel überschritten wäre.
Im Gegensatz zum Bundesrat wollte der Nationalrat aber nicht konkretisieren, was bei Überschreitung der Kostenziele passiert. Die Regierung würde in einem solchen Fall Massnahmen prüfen – etwa die Anpassung von Tarifverträgen.
Mehr Macht für Gesundheitsbehörden
Dafür beschloss der Nationalrat, dass das Kostenwachstum in der obligatorischen Krankenversicherung mit weiteren konkreten Massnahmen bei den Tarifen und den Laboranalysen gebremst werden soll.
Beispielsweise soll der Bundesrat unverzüglich überhöhte sowie nicht sachgerechte und nicht betriebswirtschaftliche Vergütungen in der Tarifstruktur Tarmed für ambulante ärztliche Behandlungen senken. Die Tarifgenehmigungsbehörde soll künftig auch für gewisse Spezialisten die Tarife senken oder die Grundversorger in bestimmten Regionen besserstellen können.
Der richtige Tarif
Damit setzten sich die Grünen mit einem Minderheitsantrag mit 105 zu 74 Stimmen durch. Überhöhte Tarife müssten ebenso angepasst werden wie zu tiefe, um Fehlanreize zu vermeiden, sagte Katharina Prelicz-Huber (Grüne/ZH). Bis zu 50 Prozent des Behandlungserfolgs hingen schliesslich auf von einer adäquaten Pflege ab. Die richtige Tarifierung sei vielleicht anfänglich vermeintlich teurer, aber am Ende billiger, wenn etwa statt der rentablen Operation eine ambulante Behandlung möglich sei.
Initiative und Gegenvorschlag kommen nun vor den Ständerat. Die Initiative «Für tiefere Prämien – Kostenbremse im Gesundheitswesen» (Kostenbremse-Initiative) dürfte auch dort chancenlos sein. Sie verlangt, dass Bundesrat, Bundesversammlung und Kantone eingreifen müssen, wenn das Kostenwachstum pro versicherte Person um einen Fünftel über der Nominallohnentwicklung läge.
In zwei Wochen debattiert der Nationalrat die Volksinitiative «Maximal zehn Prozent des Einkommens für die Krankenkassenprämien» (Prämien-Entlastungs-Initiative)» der SP.