Für 2022 sind leicht tiefere Krankenkassenprämien angesagt. Die Frage ist nur, ob dies eine einmalige Ausnahme ist und wir bald wieder mehr Prämien bezahlen müssen. SRF hat darüber mit Ruth Humbel (Mitte/AG) gesprochen, der Präsidentin der zuständigen Kommission im Nationalrat und Verwaltungsrätin der Krankenkasse Concordia.
SRF News: Statt dem alljährlichen Prämienanstieg wurde heute eine Prämiensenkung angekündigt. Das sind doch mal gute Neuigkeiten Frau Humbel.
Ruth Humbel: Ja, das ist natürlich eine positive Nachricht. Einfach speziell, denn wir sind eigentlich in der grössten Gesundheitskrise und plötzlich steigen die Prämien nicht mehr. Das hat natürlich auch verschiedene Gründe.
Es gab schon Elemente im letzten Jahr, die die Kosten weniger angetrieben haben.
Ist es eine Trendwende oder vielleicht doch nur eine einmalige Sache?
Ich würde es als einmalige Sache sehen. Es wirken verschiedene Effekte vom letzten Jahr. Wenn man denkt, es sind ja viele Arztpraxen oder Therapie-Institute in Kurzarbeit gewesen. Man hat Wahleingriffe nicht gemacht. Die schwer Erkrankten, Covid-Erkrankten auf der Intensivstation kosten zwar viel, aber da wird auch aufgeteilt zwischen Kantonen und Krankenversicherern. Es gab also schon Elemente im letzten Jahr, die die Kosten weniger angetrieben haben.
Eine grosse Rolle spielt der Abbau der Reserven. Bundesrat Alain Berset sagte, es seien mit 12 Milliarden Franken immer noch zu viele Reserven und forderte, dass die Kassen Reserven weiterhin abbauen. Ist das auch Ihre Forderung?
Ja, wenn man zurückblickt, hatte man immer wieder Phasen, in denen Bundesräte aus politischen Gründen tiefere Prämien genehmigt haben. Dann waren die Reserven zu tief. Dann kam das Aufsichtsgesetz, dass man eine gewisse Reserve haben muss. Bei einem Kostenvolumen von 34 Milliarden Franken, das die Versicherer haben, sind 12 Milliarden Reserven nicht wahnsinnig viel. Es spielt ja auch immer ein wenig aus den Finanzmärkten hinein.
Bei einem Kostenvolumen von 34 Milliarden Franken, das die Versicherer haben, sind 12 Milliarden Reserven nicht wahnsinnig viel.
Das gesetzliche Minimum wären aber etwa sechs Milliarden Franken. Da liegt man doch eindeutig darüber.
Ja, das liegt über dem Minimum, darum steht es den Krankenversicherern frei, jedes Jahr Rückzahlungen an die Versicherten zu machen und so Rückerstattungen zu leisten.
Ihre Partei [Die Mitte] hat eine Kostenbremsen-Initiative eingereicht. Der Bundesrat arbeitet schon an einem Gegenvorschlag. Er möchte in jedem Medizinbereich eine Art Budget einführen. Aber da laufen Ärzte und Spitäler bereits Sturm.
Eine Kostensteuerung ist kein Globalbudget. Man hat heute schon Möglichkeiten mit integrierten Versorgungsmodellen, Managed-Care-Modelle, die eine Budget-Mitverantwortung haben. Da wird auch schon im Voraus abgemacht, wie hoch etwa die Kostenentwicklung im nächsten Jahr ausfällt, wo Verträge bestehen und damit leidet niemand an einer Unterversorgung.
Die Befürchtung gibt es aber.
Das befürchte ich absolut nicht, denn man sieht gerade bei solchen Modellen, wenn strukturierte Programme bestehen, zum Beispiel eine gute Betreuung von Diabetikern, dies zu einer besseren Lebensqualität bei diesen Menschen führt und gleichzeitig zu tieferen Kosten. Einfach, weil nicht Behandlungen gemacht werden, die nicht nötig sind und vor allem früh erkannt wird, was gemacht werden muss, damit es zum Beispiel nicht zu Amputationen kommen muss.
Das Gespräch führte Gion-Duri Vincenz.