Das Hamas-Massaker an Israelis vom 7. Oktober und die darauffolgenden Kriege in Nahost haben auch das Schweizer Parlament mehrfach beschäftigt. «Zunächst war da der Schock, ein wahnsinnig emotionaler Moment», erinnert sich SP-Nationalrat Fabian Molina, Mitglied der Freundschaftsgruppe Schweiz-Palästina.
Molina hatte noch wenige Monate vor dem Hamas-Überfall in Israel und den besetzten Gebieten Freunde und Bekannte besucht. Nach dem Attentat traf er im Bundeshaus Angehörige von Geiseln: «Diese Machtlosigkeit, die ich da gespürt habe, steckt mir immer noch in den Knochen.»
Die Ereignisse vom 7. Oktober lassen auch die Aargauer Mitte-Ständerätin Marianne Binder-Keller nicht los: «Letztlich war da ein grosses Entsetzen und es hält bei mir seit jenem Tag an.» Binder ist eine von vier Präsidentinnen der parlamentarischen Gruppe Schweiz-Israel.
Ich glaube, das Bild ist differenzierter geworden, und bei jenen, die ernsthaft darüber sprechen, eben auch ernsthafter.
Die Mitte-Politikerin sieht sich nicht einseitig als Anwältin Israels, bezieht aber immer wieder Position für das Land: «Wer nicht undifferenziert argumentiert, der sieht ja auch die Problematik, in der sich Israel befindet. Und jene, in der sich die Menschen im Gaza befinden, vor allem die Zivilbevölkerung. Ich glaube, das Bild ist differenzierter geworden, und bei jenen, die ernsthaft darüber sprechen, auch ernsthafter.»
Politisch machte der Überfall vom 7. Oktober im Bundeshaus schnell die Hamas zum Thema. Das Parlament beschäftigte sich mit der Frage, ob die Organisation als Terrorgruppe eingestuft werden soll.
Viel zu reden gaben die Zahlungen an das Palästinenser-Hilfswerk der UNO, die UNRWA. Eine Mehrheit im Nationalrat beschloss, diese einzustellen. Das Hilfswerk hat das Parlament in praktisch jeder Session seit dem Überfall auf Israel beschäftigt. Dazu kamen weitere Anliegen zum Thema Nahost, etwa die Anerkennung Palästinas als Staat.
Die Schweiz hat Massnahmen ergriffen, die sich einseitig gegen die palästinensische Seite richten.
Während die Mitte-Politikerin Marianne Binder in der Auseinandersetzung eine grösser werdende Ernsthaftigkeit feststellt, registriert SP-Nationalrat Molina eine Verhärtung.
Noch stärker als den Diskussionsstil kritisiert Molina, «dass die Schweiz ihre traditionelle Position zum Nahostkonflikt geändert hat». Diese besage, dass sich die Schweiz für eine verhandelte Zweistaatenlösung als Grundlage für einen dauerhaften und gerechten Frieden einsetze. Doch die Schweiz habe Massnahmen ergriffen, die sich einseitig gegen die palästinensische Seite richteten.
Die Schweiz muss die Zivilbevölkerung im Zentrum ihres Denkens haben und sichtbar machen, dass Israel ein Selbstbestimmungsrecht hat.
Marianne Binder-Keller befürchtet dagegen, dass der Krieg im Nahen Osten dazu führt, dass Israel zunehmend in die Rolle des Täters gedrängt wird. Dagegen müsse sich die Schweiz wehren: «Die Schweiz muss sichtbar machen, dass Israel ein Selbstbestimmungsrecht hat, und die Schweiz muss die Zivilbevölkerung im Zentrum ihres Denkens haben. Eine Konferenz in diesem Sinne wäre sicher gut, aber nur, wenn nicht einseitig Israel als der Täter beurteilt wird.»
Rolle der Schweiz
Einen von der Schweiz angestossenen Friedensprozess kann sich auch Molina vorstellen. Als Anknüpfungspunkt sieht er die Genfer-Initiative. Sie steht für ein Abkommen zwischen den Konfliktparteien auf der Basis einer Zweistaatenlösung. Es wurde vor gut 20 Jahren erarbeitet, aber nie umgesetzt.
Bevor sich die Schweizer Politik allerdings mit solchen Plänen beschäftigen kann, wird es im Parlament noch einige Male um praktische Fragen gehen. Etwa, ob und wie Hilfsgelder in die Krisenregion fliessen sollen.