Während in den letzten Monaten und Jahren die Dissonanzen im Verhältnis des Bundesrates mit der EU den Ton angaben, so tritt der Bundesrat im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg schon fast im Gleichklang mit den europäischen Partnern auf. Heute war die Regierung sichtlich bemüht, ukrainischen Kriegsflüchtlingen dieselben Aufnahmebedingungen zu bieten, wie dies andere europäische Länder tun. Der Schutzstatus S, der zum ersten Mal aktiviert werden soll, wird sich wohl nur geringfügig von der entsprechenden EU-Richtlinie unterscheiden.
Weiterer Schweizer Alleingang liegt nicht drin
Der Bundesrat hatte auch gar keine andere Wahl. Nach den Falschtönen um die Sanktionen gegen Russland hätte national, aber auch international, ein weiteres Solo der Schweizer Regierung Unverständnis ausgelöst. Abgesehen davon, dass es der gesunde Menschenverstand gebietet, dass nicht jedes Land eigene Aufnahme-Kriterien definiert.
Die ukrainischen Kriegsflüchtlinge werden dorthin wollen, wo sie Bekannte und Verwandte haben, oder wo schon eine gewisse ukrainische Diaspora lebt. Dafür sollen möglichst wenig Hürden aufgebaut werden.
Die Vorschläge gehen jetzt in eine kurze Konsultation bei Kantonen, Gemeinden und humanitären Organisationen. So sieht es das Gesetz vor. Grosse Opposition ist nicht zu erwarten. Der Bundesrat dürfte wohl am nächsten Freitag die entsprechenden Verordnungen in Kraft setzen.
Status S soll vorerst ein Jahr gelten
Der Schutzstatus S, der nach den Jugoslawien-Kriegen geschaffen wurde, ist darauf ausgerichtet, dass die Schutzsuchenden eher früher als später wieder in ihr Land zurückkehren können. Das hat auch Bundesrätin Karin Keller-Sutter heute nochmals betont; deshalb sind zum Beispiel auch keine speziellen Integrationsmassnahmen vorgesehen, und der Status S soll ein Jahr gelten – immerhin mit Verlängerungsmöglichkeiten.
Die Flüchtlinge werden am stärksten hoffen, so schnell wie möglich wieder in ihr Heimatland zurückkehren zu können. Doch wenn das nicht möglich sein wird? Wenn Russlands Präsident Putin den verhassten Nachbarstaat nicht wieder aus seinem Griff lässt?
Die Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit des Moskauer Autokraten: Südossetien, Abchasien, Transnistrien oder auch die Krim und die von Putin zu «Volksrepubliken» ernannten Gebiete von Donezk und Luhansk, lassen nichts Gutes erahnen.
Wenn die ukrainischen Kriegsflüchtlinge länger, viel länger bleiben müssen, als sie das wollen, dann wird die Bewährungsprobe erst kommen. Für den Schutzstatus S, und für die im Moment so grosse – und grossartige – Solidarität der Schweizer Bevölkerung.