Die Schweiz soll härter gegen straffällige Ausländer vorgehen: Das verlangte die Ausschaffungsinitiative, die inzwischen umgesetzt ist. Nach der Politik müssen nun die Gerichte diese härteren Regeln anwenden. Dazu ging es immer wieder um die Frage, was rechtlich höher zu gewichten sei: die Ausschaffungsinitiative oder das Abkommen über die Personenfreizügigkeit (FZA) mit der EU?
Bundesgericht verschärft Praxis
Schon vor dem heutigen Urteil hatte das Bundesgericht die Gangart gegenüber kriminellen Ausländern verschärft. Zwar räumt das FZA EU-Bürgern den Zugang zum Arbeitsmarkt ein. Doch Artikel 5 sagt klar: Wenn die öffentliche Ordnung, die Sicherheit oder die Gesundheit gefährdet sind, dürfen diese Rechte eingeschränkt werden. Schon im Dezember bestätigte das Bundesgericht deshalb die Landesverweisung eines EU-Bürgers, der ein Gewaltdelikt begangen hatte.
Im neusten Fall ging es jetzt um einen Spanier, der mit Kokain gehandelt hatte. Und in diesem Urteil geht das Bundesgericht nochmals einen Schritt weiter: Es distanziert sich von der Rechtsprechung in der EU. Und das, obwohl im FZA auch steht, dass die Rechtslage zwischen der EU und der Schweiz möglichst parallel sein soll. Das Bundesgericht soll sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) orientieren und umgekehrt.
Beim Strafrecht gilt vor allem Landesrecht
Davon weicht das Bundesgericht nun aber ab: Es will sich beim Strafrecht – und damit auch bei Ausschaffungen – nicht mehr an den Regeln in der EU orientieren, sondern das Landesrecht durchsetzen. Es begründet den Entscheid damit, dass das FZA vor allem ein wirtschaftsrechtliches und kein strafrechtliches Abkommen sei. Für die Schweizer Gerichte heisst das: Im Strafrecht müssen sie die Rechtsprechung des EuGH künftig weniger berücksichtigen.
Die Frage des Vorrangs zwischen unserem Landesrecht und dem Abkommen, über die jahrelang debattiert wurde, wird damit vom Bundesgericht umschifft. Auch nach diesem Urteil müssen die Gerichte zwar jede Ausschaffung einzeln prüfen. Doch wenn die öffentliche Ordnung, die Sicherheit oder die Gesundheit gefährdet sind und ein Landesverweis verhältnismässig ist, dann steht dieser laut Bundesgericht nicht im Konflikt mit dem FZA.