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Kritik an Funksystem Polycom «Plötzlich war alles stumm»: Rettungskräfte im Saastal ohne Funk

Der Schneefall kurz vor Ostern sorgte im Oberwallis für Chaos. Gerade dann wären Rettungskräfte auf ein verlässliches Funknetz angewiesen. Doch auch das Blaulichtsystem Polycom fiel aus. Neben Frustration werden nun auch Rufe nach alternativen Systemen laut. Wie realistisch sind diese?

Das ist passiert: Die Unwetter im Wallis in der vergangenen Woche haben Störungen im Rettungsprozess in Saas-Grund aufgedeckt. So war die Kommunikation zwischen den Rettungskräften über das nationale Funksystem Polycom zeitweise stark eingeschränkt. Dementsprechend sind die lokalen Behörden nun verärgert darüber, dass das teure Kommunikationssystem nicht funktionierte.

Polycom – kurz erklärt

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Polycom ist das flächendeckende Sicherheitsnetz Funk der Behörden und Organisationen für Rettung und Sicherheit (Bors). Es ermöglicht den Funkkontakt innerhalb und zwischen den verschiedenen Organisationen Grenzwacht, Polizei, Feuerwehr, sanitätsdienstliches Rettungswesen, Zivilschutz und unterstützende Verbände der Armee.

Sämtliche Bors des Bundes, der Kantone und der Gemeinden können heute über eine einheitliche und homogene Infrastruktur Funkgespräche sowie Daten übertragen. Aufgebaut wurde das Sicherheitsnetz schrittweise mit Teilnetzen unter der Leitung des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz (Babs).

Kritik im Detail: Der Gemeindepräsident von Saas-Grund, Alwin Venetz, erklärt gegenüber SRF die Hintergründe. Innerhalb des Tals habe das Netz noch funktioniert, nach aussen aber sei das dafür vorgesehene System zusammengebrochen. «Plötzlich war alles stumm», erinnert sich Venetz. Zum Glück habe man keinen medizinischen Notfall oder Ähnliches gehabt, deshalb habe man die Verbindung aus dem Tal hinaus auch nicht benötigt. Die Stille sei aber schon beängstigend gewesen. Venetz fordert nun eine Überprüfung des Systems sowie die Gewährleistung der Krisenresistenz von Polycom.

Sicherheitspolitiker ist verärgert: Auch bei SVP-Ständerat Werner Salzmann wirft der Vorfall Fragen auf. «Für mich ist erst mal wichtig: Wer ist zuständig für die regelmässige Prüfung der Funktionstüchtigkeit? Zweitens will ich wissen: Wer ist zuständig für die Analyse des Fehlers? Drittens beschäftigen mich die Ursachen.» Der Sicherheitspolitiker verlangt Massnahmen vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz (Babs), damit so etwas nicht mehr passieren könne.

Polizist spricht in ein Funkgerät neben einem Polizeiauto.
Legende: Das Polycom-Funksystem sollte sowohl eine landesweite Kompatibilität als auch ein hohes Mass an Vertraulichkeit beim Informationsaustausch garantieren – sofern es funktioniert. (Archivbild) Keystone / DOMINIC FAVRE

Das sagt das Babs: Besagtes Bundesamt bestätigt gegenüber SRF den Ausfall der Polycom-Anlagen des Bundesamtes für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) und des Kantons Wallis. Je nach Standort hätten die Anlagen «zwischen 15 Minuten und weniger als 24 Stunden» nicht funktioniert. Beim Babs erklärt man sich den Vorfall so: «Durch die Verkettung von ungünstigen Situationen ist es zu Ausfällen gekommen.» Das Bundesamt analysiere nun das Ereignis.

Die Hintergründe

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Ursache des Ausfalls von Strom-, Mobilfunk- und schliesslich auch Polycom-Netz war zunächst der viele Schnee. Er liess Bäume umknicken, die auf Hochspannungsmasten fielen. Ohne den Strom funktionieren die Polycom-Antennen nicht.

Zwar sind diese für den Fall eines Unterbruchs des Stromnetzes mit Batterien ausgestattet, die Laufzeit dieser Akkus beträgt aber oft nur wenige Stunden. Danach sorgen Diesel- oder Benzingeneratoren für den Weiterbetrieb. Der Zivilschutz muss diese jedoch alle paar Stunden mit neuem Treibstoff versorgen. Dies war letzte Woche in Saas-Grund teilweise nicht möglich, da sowohl die Strassen als auch der Luftweg wegen des Unwetters unpassierbar waren.

Um den ständigen Betrieb des Systems zu gewährleisten, bräuchte es beispielsweise die Installation von grösseren Batterien. Die leistungsfähigsten Modelle hierbei halten bis zu drei Tage. Die Walliser Polizei liess aber bereits durchblicken, dass dies sehr teuer wäre. Zu teuer, um ein eher selten auftretendes Ereignis zu verhindern.

Kritik am System: Es ist nicht das erste Mal, dass Polycom kritisiert wird. Jahrelang hatte die Polizei immer wieder mit Ausfällen ihrer Funkgeräte zu kämpfen. Selbst die Einführung verzögerte sich und die Kosten explodierten auf über eine Milliarde Franken. 2035 soll das System ersetzt werden. Die zum jetzigen Zeitpunkt bevorzugte Alternative wird mit 4G oder 5G funktionieren oder auch mittels eines Netzes von Satelliten. Letzteres hatte auch der Walliser Staatsrat Christophe Darbellay gegenüber dem «Walliser Boten» aufs Tapet gebracht. Doch wie sicher wäre dies?

Die Alternativen: Jürg Leuthold leitet an der ETH Zürich das Departement für Informationstechnologie und Elektrotechnik. Aus seiner Sicht könnten Satelliten tatsächlich eine Alternative darstellen. Allerdings gebe es noch technische Einschränkungen. «Man arbeitet im Moment im tiefen Gigahertzbereich mit Satellitenkommunikation und da hat man einfach noch eine begrenzte Kapazität durch eine gewisse Fläche.» Beispielsweise können bei Elon Musks Starlink auf zehn Quadratkilometern lediglich wenige Nutzer auf das Netz zugreifen. «Damit ist klar, es bleibt im Moment eine Notfalltelefonie.» Ein weiterer Punkt ist die Verschlüsselung. Diese führe dazu, dass die Komplexität und die Übertragungsdauer grösser würden, was wiederum nicht ideal sei.

Viel Neuschnee, teils bis in tiefe Lagen

10vor10, 23.4.2025, 21:50 Uhr ; 

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