900 Franken habe sie für den Schweizer Pass bezahlt, erinnert sich Martina K. Die kaufmännische Angestellte wurde im Januar per Schnellverfahren eingebürgert. In Erinnerung geblieben ist ihr nebst der Kosten der langwierige Prozess. «Ich musste über zwei Jahre warten und Dokumente doppelt einreichen, weil die Behörden nicht schneller vorwärtsgemacht haben. Das war mühsam.»
Wie Frau K. geht es vielen. Denn ein Einbürgerungsverfahren muss man sich leisten können. Eine Studie, die im Auftrag der Migrationskommission (EKM) verfasst wurde, zeigt: Seit die Schweiz vor sechs Jahren das neue Bürgerrechtsgesetz eingeführt hat, sind deutlich mehr gut situierte Menschen mit hohen Bildungsabschlüssen eingebürgert worden.
Bis 2018 hatte etwa jede dritte eingebürgerte Person einen Hochschulabschluss, von 2018 bis 2020 stieg ihr Anteil auf fast zwei Drittel. Dafür sank der Anteil von Personen ohne weiterführende Ausbildung von 23.8 auf 8.5 Prozent.
«Hoch Qualifizierte haben bessere Chancen, einen Job und damit eine Niederlassungsbewilligung respektive Einbürgerung zu bekommen», erklärt Barbara von Rütte. Die Juristin vom Europainstitut der Uni Basel hat die Studie mit den Universitäten Genf und Neuenburg durchgeführt.
Darüber hinaus verfügten besser ausgebildete Menschen in der Regel über ein höheres Einkommen, so von Rütte. Wer das rote Büchlein möchte, muss seit 2018 auch seine finanzielle Unabhängigkeit nachweisen.
Wer diese Voraussetzungen nicht mitbringt, vor allem Personen aus dem Asylbereich, hat das Nachsehen – und keinen Schweizer Pass.
Das bestätigt ein Blick auf die Nationalitäten. Im vergangenen Jahr kamen die meisten frisch gebackenen Schweizerinnen und Schweizer aus den EU-Ländern Deutschland, Frankreich oder Italien.
«Leute aus der EU oder hoch qualifizierte Drittstaatsangehörige bekommen direkt eine B-Bewilligung und nach zehn Jahren eine C-Bewilligung – sofern sie die Kriterien erfüllen. Damit können sie sich relativ einfach einbürgern lassen», sagt von Rütte.
Flickenteppich bei Integrationskriterien
Bei den Einbürgerungskriterien bestehen je nach Kanton und Gemeinde grosse Unterschiede, etwa beim Sprachniveau oder der Mindestdauer, die man an einem Ort gewohnt haben muss.
Juristin Barbara von Rütte führt aus: «Wenn sie von einem Kanton in einen anderen ziehen, kann das heissen, dass sie nochmals fünf Jahre auf ihre Einbürgerung warten oder eine andere Landessprache lernen müssen.»
Diese Erfahrung macht auch ein Akademiker mit britischer Staatsbürgerschaft, der sich im Einbürgerungsprozess befindet und nicht namentlich genannt werden möchte. «Der Schwerpunkt liegt auf lokaler Integration. Es handelt sich um eine subjektive Beurteilung, die in einer Gemeinde beispielsweise von einem Gremium aus Landwirten oder Bankern getroffen wird.» Darüber hinaus spreche er zwar fliessend Französisch. Doch das werde nicht akzeptiert, da er in einer deutschsprachigen Gemeinde lebe.
Gemeindeverband kontert Kritik
Beim Schweizerischen Gemeindeverband will man von fehlender Chancengleichheit nichts wissen. Aus Sicht des Föderalismus habe sich das System bewährt, betont Vorstandsmitglied Boris Tschirky. «Wir halten die Einbürgerungsverfahren für fair. Es ist wichtig, dass die Integration potenzieller Mitbürgerinnen und Mitbürger geprüft wird. Das können die Gemeinden, in denen die Leute leben, am besten.»
Genau dies ist der Grundgedanke des Bürgerrechtsgesetzes, wie es das Parlament 2018 festgelegt hat: Nur noch gut integrierte Menschen sollen eingebürgert werden – Menschen, die die Sprache sprechen, in ihrer Gemeinde integriert und wirtschaftlich unabhängig sind. Die EKM-Studie will zur Debatte anregen, zeigt aber vor allem auch: Die verschärften Einbürgerungsregeln wirken.