Darum geht es: KI-Chatbots wie ChatGPT sind im Alltag vieler Hochschulen angekommen. Plötzlich ist nicht mehr klar, ob jemand seine Gedanken selbst formuliert hat oder dies ein textbasiertes Dialogsystem übernommen hat. «Es ändert sich sehr viel. Da ist einiges im Umbruch», sagt Alice Delorme Benites. Sie ist Professorin für Mensch-Maschine-Kommunikation an der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften ZHAW. Es gebe tatsächlich Momente beim Korrigieren, die einen stutzig machen: «Das sorgt für Irritation, aber auch für viele Lacher, weil unter Umständen das Niveau im Vergleich viel zu hoch ist.»
Gefahren durch ChatGPT & Co.: Ein Chatbot ist vor falschen Informationen nicht gefeit. Denn in erster Linie generiert er «nur» einen plausiblen Text. «Es klingt sehr vernünftig. Es muss aber nicht zwangsläufig korrekt sein», meint die ZHAW-Professorin. Denn: «Die Quellen sind nicht klar. Der Chatbot füttert sich quasi selbst.» Auch wenn es zahlreiche Beispiele von sehr gut geschriebenen, KI-generierten wissenschaftlichen Arbeiten gibt, dient ChatGPT nicht als eine seriöse Informationsquelle.
Gründe gegen ein KI-Verbot an Hochschulen: Kurz nach Verbreitung der gängigsten Chatbots haben erste Hochschulen auch schon Verbote ausgesprochen – beispielsweise in den USA. Schweizer Schulen sind mit Verboten zurückhaltend. Die ZHAW hat sich beispielsweise entschieden, ChatGPT zuzulassen. «Unseren Absolventen und Absolventinnen müssen später in Unternehmen arbeiten, wo erwartet wird, dass sie solche Tools gut einsetzen können», erklärt Delorme Benites. «Es muss reflektiert eingesetzt werden», so die Professorin. Im Zweifelsfall reiche oft auch ein Gespräch mit der jeweiligen Person. Zudem würden Studierende mit den Chatbots meist auch einfach «am Auftrag vorbeischreiben», die Aufgabe nicht korrekt erfüllen. Und Untersuchungen haben gezeigt, dass diese Tools genutzt werden, auch wenn ein Verbot besteht.
Ein sinnvoller Umgang mit KI: An vielen Hochschulen sorgt KI für Veränderungen. Laut ZHAW-Professorin Delorme Benites erlaubt dies auch eine interessante Auseinandersetzung im Hochschulbetrieb: Wie wird gelernt, gearbeitet und welche Funktion hat eine Abschlussarbeit? Das Ganze habe auch mit Selbstbewusstsein zu tun: «Studierende neigen manchmal dazu, Chatbos zu verwenden, weil sie denken, dass die Maschine es besser kann, als sie es jemals könnten.» Ziel sei es aber, die Hochschule als einen Ort zu deklarieren, wo Fehler produktiv sind und man daraus lernt. «Dann schafft man eine Atmosphäre, wo die Verwendung von KI sozusagen ganz entspannt ist.» Die Studierenden sollen verstehen, dass die systematische Verwendung von KI nicht immer die beste Variante ist. «Das Lernziel ist, dass sie wissen, wann und wofür sie es einsetzen sollten.»
Notwendiger Konsens und Regeln: Der Hochschul-Dachverband Swissuniversities hat das Thema auf dem Radar. So prüfen laut einer Stellungnahme verschiedene Institutionen Möglichkeiten, um Leistungskontrollen auf die neue Technologie anzupassen. «Ich gehe davon aus, dass sich im Umgang mit solchen Technologien ein Konsens zwischen den Hochschulen entwickeln wird und alle irgendwann die gleiche Linie fahren werden», meint auch Delorme Benites. «Das, was es momentan braucht, sind Regeln von der Politik – vor allem in Bezug auf Datenschutz.»