Als Ende August mehrere Zehntausend Kubikmeter Schlamm in Schwanden im Kanton Glarus niedergingen, bot sich ein Bild der Zerstörung. Sechs Häuser wurden komplett verschüttet, rund drei Dutzend beschädigt. Das betroffene Quartier wurde nun für unbewohnbar erklärt, zu gross ist die Gefahr vor weiteren Steinschlägen.
Der Erdrutsch hat das Haus des Ehepaars Laurant zwar verfehlt, die Situation bleibt aber gefährlich. «Es reisst wahnsinnige Wunden auf, die von einer Minute auf die andere in unserem Leben klafften», sagt Michel Laurant. Sie gehören zu den 40 Personen aus Schwanden, die definitiv nicht mehr in ihr Haus dürfen.
1.8 Millionen Menschen leben in Gefahrenzonen
Gefährliche Naturereignisse sind in der Schweiz keine Seltenheit. Rund 1.8 Millionen Menschen leben laut Bund in potenziell gefährdeten Gebieten. Der Sarnersee tritt beispielsweise oft über die Ufer – rund 30 Mal in den letzten 20 Jahren.
«Die Leute haben ihre Dinge in die Höhe geräumt. Die Garagen sind so leer, dass möglichst wenig Schäden entstehen. Die Leute mussten das schon ein paar Mal machen», erklärt der Gemeindepräsident von Sachseln im Kanton Obwalden, Knut Hackbarth.
Für die Häuser im Quartier Riet gelten besondere Vorgaben. Wohnräume müssen vier Meter über Boden gebaut sein. Viele Bewohnerinnen und Bewohner sind für das Hochwasser gewappnet.
Der ehemalige Architekt Ernst Spichtig lebt selbst im Dorf und hat in der Siedlung Riet mehrere Häuser gebaut. Heute sieht er dies kritisch. Der Ort eigne sich nur für Ferien.
«Man geht nie ins Riet zum Wohnen oder Bauen. Das ist ein Grundsatz. Damals machte der Kanton dort aber ein Baugebiet, man könne dort bauen. Das haben wir als Architekten gerne angenommen.»
Ist Bauen in Gefahrenzonen noch verantwortbar?
Trotz Hochwassergefahr darf man in Sachseln immer noch bauen. Aber ist das mit dem Wissen um Naturgefahren überhaupt verantwortbar?
Kommt darauf an, sagt Christoph Hegg von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft.
Wenn man ein Gebäude nicht so bauen kann, dass die Leute darin nicht gefährdet sind, macht das keinen Sinn.
«Wenn es um stehende Überschwemmungen geht, kann man das Haus anheben, dann steht es ausserhalb der Hochwassergefährdung. Dann kann man das auch in einem Gebiet, das grundsätzlich gefährdet ist, aufstellen. Aber es gibt natürlich Orte, wo das nicht sinnvoll ist. Wenn ein brutaler Prozess droht, wie ein Rutschgang oder eine schwere Lawine, und man so ein Gebäude nicht so bauen kann, dass die Leute darin nicht gefährdet sind, dann macht das keinen Sinn.»
Auch das vermeintlich ungefährliche Hochwasser sorgt für Probleme. Die Allgemeinheit muss die Kosten tragen. Wieso also gibt es eine Siedlung an einem solchen Ort?
«Das ist mir nicht bekannt», sagt der Gemeindepräsident von Sachseln. «Es ist ein Teil Geschichte und zum Teil auch, wie viel Wasser mehr man plötzlich verkraften muss wie vielleicht von 100 oder 200 Jahren, weil die Ereignisse extremer werden.»
Die Einwohnerinnen und Einwohner von Sachseln dürfen mit mehr als mit weniger Wasser rechnen. Um die ganze Region um den See zu entlasten, wird ein Stollen gebaut, mit dem ab 2025 Wasser abgelassen werden kann.