Das Bundesamt für Umwelt (Bafu) will die Zahl der Wölfe in der Schweiz deutlich senken. Dies zeigt ein Entwurf der neuen Jagdverordnung, den der «Blick» publik gemacht hat. Gemäss der neuen Verordnung soll es möglich werden, ganze Rudel abzuschiessen – und zwar präventiv, also ohne dass die Wölfe Nutztiere wie Schafe oder Rinder gerissen haben.
Pro Natura befürchtet «Wolfsmassaker»
Der Protest der Umwelt- und Naturschutzorganisationen ist vehement. Sara Wehrli von Pro Natura sagt: «Die neue Verordnung wird zu einem wahren Massaker an den Wölfen führen.» Pro Natura schätzt, dass zwei Drittel des heutigen Bestandes von rund 300 Tieren abgeschossen werden könnten.
Die neue Verordnung sieht vor, dass etwa in den östlichen Alpen nur noch drei Wolfsrudel geduldet werden müssten. Heute leben allein im Kanton Graubünden zwölf Rudel.
Was der Bund nun plant, geht viel zu weit.
Dass die Zahl der Wölfe stark zugenommen hat und deshalb Massnahmen nötig sind, bestreiten die Umweltorganisationen nicht. Aber was der Bund nun plane, gehe viel zu weit, bemängelt Wehrli.
Dabei spiele auch eine wichtige Rolle, dass nicht mehr Simonetta Sommaruga von der SP das zuständige Departement Uvek führt, sondern SVP-Bundesrat Albert Rösti: «Frau Sommaruga hat in den Debatten zum Jagdgesetz noch betont, dass der Herdenschutz vor allfälligen Regulierungsmassnahmen vollumfänglich umgesetzt werden müsse», so Wehrli.
Sommaruga habe den Wolfsschutz stärker betont; Rösti gebe dem Druck der Älplerinnen und Älpler nach, so Pro Natura.
Bafu: Präventivabschüsse sollen möglich sein
Das Bafu bestätigt den Strategiewechsel. Präventive Abschüsse von Wolfsrudeln sollen in Zukunft möglich sein. Man müsse künftig nicht warten, bis Wölfe Schafe oder Ziegen gerissen hätten. In einer Stellungnahme des Bafu heisst es: «Ziel ist, den Wolfsbestand in Grenzen zu halten und dafür zu sorgen, dass die Wölfe scheu bleiben. So können Übergriffe auf Nutztiere so gering wie möglich gehalten werden.»
Präventive Abschüsse oder gar die Deckelung des Wolfsbestandes begrüsse ich sehr.
Die geplante neue Stossrichtung im Umgang mit dem Wolf kommt in Berggebieten gut an, etwa bei Silvan Darms von der wolfkritischen Gruppe Surselva Wolf. Darms führt im Bündner Oberland eine Alp mit Kühen und Pferden. Er sagt: «Präventive Abschüsse oder gar die Deckelung des Wolfsbestandes begrüsse ich sehr. Das vergangene Jahr hat gezeigt, dass durch die Entnahme von Leitwölfen die Nutztierrisse gesenkt werden können.»
Dies ist eine Sicht: Wenn mehr Wölfe abgeschossen werden, nimmt die Zahl der toten Schafe und Ziegen ab. Die Gegenseite argumentiert anders: Wenn die Älplerinnen und Älpler ihre Herden besser schützen, sinkt die Zahl der Risse.
Verordnung soll im Dezember in Kraft treten
Silvan Darms glaubt nicht, dass der Wolfsbestand mit den Plänen des Bundes zu sehr dezimiert würde, im Gegenteil: «Abschüsse stellen neben dem passiven Herdenschutz mittels Zäunen, dem aktiven Herdenschutz mit Herdenschutzhunden und Vergrämungen die dritte Säule des Gesamtkonzepts dar. Nun ist es an der Zeit, auch bei den Abschüssen nachzuziehen.»
Dennoch wollen die Umwelt- und Naturschutzorganisationen die Pläne des Bundes nicht hinnehmen. Sara Wehrli von Pro Natura sagt: «Wir hoffen, dass das Umweltdepartement Einsicht zeigt und die Verordnung grundlegend überarbeitet. Mit der jetzigen Vorlage ist niemandem gedient.»
Es bleibt abzuwarten, ob die Kritik der Umweltorganisationen Wirkung zeigt. Das Uvek will die neue Verordnung bereits im kommenden Dezember in Kraft setzen.