Auch im Bundeshaus hat der Krieg Einzug gehalten. Viele Parlamentarierinnen und Parlamentarier freuten sich auf die erste «normale» Session nach der Pandemie. Wären da nicht vier Tage zuvor die Russen in der Ukraine einmarschiert. Sofort dominierte der Krieg die Frühlingssession.
Die SVP lud gleich am Montag früh noch vor der ersten Ratsdebatte zur Medienkonferenz, um die Aufrüstung des Schweizer Militärs zu fordern, der FDP-Präsident reichte gleich nach der ersten Glocke des Ratspräsidenten Vorstösse zur Aufstockung der Armee ein. Die Mitte-Partei forderte vom Bundesrat unverzüglich ein «Hilfsprogramm Ukraine», von links bis rechts prasselten die Ukraine-Vorstösse aufs Ratsbüro ein. Doch passiert ist – nun zu Sessionsende: erstaunlich wenig.
Wenig Zählbares
Das Heft hielt wie schon in der Coronakrise vor allem der Bundesrat in der Hand. Natürlich half ihm das Parlament bei wegweisenden Entscheidungen: Etwa dass viele Ratsmitglieder auf die erstmalige Aktivierung des Schutzstatus S für Ukraine-Flüchtlinge drängten und die staatspolitische Kommission Druck machte für die Übernahme der internationalen Sanktionen. Nebst den grossen Würfen des Bundesrates aber produzierte das Parlament – nebst der Forderung nach einem Waffenstillstand in der Ukraine – bisher wenig zählbare Resultate.
Alle blieben in ihren parteipolitischen Schützengräben: Genüsslich haute die SVP Bundesrätin Simonetta Sommaruga immer und immer wieder um die Ohren, dass sie noch eine Woche vor dem Einmarsch Gaskraftwerke als Lösung gegen eine winterliche Stromlücke vorgeschlagen hatte.
Alte Steckenpferde reiten durchs Rund
SP und Grüne fanden endlich wieder Gründe, um vom Bundesrat die längst beschlossene Unterzeichnung des Atomwaffen-Sperrvertrags zu fordern. Schlussendlich versuchte jeder, die politische Antriebskraft des Ukraine-Kriegs auf die eigenen Mühlen zu lenken: Die Grünliberalen forderten eine Annäherung an Europa, die SP die unkomplizierte Aufnahme von Flüchtlingen, die SVP möchte die AKW-Laufzeiten verlängern, die Grünen endlich eine Solar-Anbauschlacht.
Alte Stecken-Pferdchen wurden durch die Parlaments-Säle geritten: Die SVP versuchte den bereits erfolgten Verkauf der Munitionsfabrik Ruag Ammotec zu stoppen und den Selbstversorgungsgrad der Schweiz zu erhöhen, die Grünen forderten einen strengere Kontrolle des Rohstoffhandels und des Finanzplatzes.
Armeekritische SP in Verlegenheit
Das grösste Feuerwerk liess die SVP krachen. Mit dem Krieg in Europa hat sie endlich eines ihrer Kernthemen zurück: Sicherheit. Statt sich mit Klima- und Corona-Opposition profilieren zu müssen, kann sie anderthalb Jahre vor den nationalen Wahlen wieder aus ihren Kernkompetenzen schöpfen. Auffällig zurückhaltend – wenn nicht gar verstört – gebärdet sich hingegen die SP. Ihre Fraktion erschien in den ersten Sessions-Tagen vom Aufrüstungs-Geheul der Bürgerlichen paralysiert.
Mit dem Kriegsausbruch stehen die Sozialdemokraten, die in ihrem Parteiprogramm noch immer die Abschaffung der Armee als Ziel definiert haben, nun ziemlich weltfremd da. Nur mit dem Hinweis, man solle nun kühlen Kopf bewahren, statt in wilden Aktionismus zu verfallen, konnten sie sich etwas in Deckung bringen.
Zweifelsohne: Der Ukraine-Krieg wird auch die Schweizer Politik in den nächsten Jahren nachhaltig prägen – etwa in Fragen zur Armee oder der Energieversorgung. Diese Zeitenwende haben alle Parteien gespürt. Aber mit mehrheitsfähigen Lösungen tun sie sich noch schwer.