Nicht nur die neue Sitzverteilung im Parlament wird die Politik der Schweiz in den nächsten vier Jahren mitbestimmen. Auch Interessenvertretende beeinflussen den politischen Kurs in der Schweiz durch ihre Lobbyarbeit. Die National- und Ständeräte sind dabei durch ihre persönlichen Verbindungen zu den Interessengruppen selbst ein wichtiger Teil des Lobbyings.
Für viele ist dieser politische Prozess nach wie vor wenig transparent. Um das aktuelle Kräfteverhältnis der verschiedenen Lobbygruppen aufzuzeigen, hat SRF Daten des Vereins Lobbywatch analysiert, welche die Interessenbindungen des neuen Parlaments zusammentragen.
Bei einem Legislaturwechsel verlieren viele Lobbys zu Beginn an Einfluss, da langjährig aufgebaute Beziehungen und Mandate durch ausgeschiedene Abgeordnete verloren gehen. Welche Lobbys haben am stärksten eingebüsst?
Umweltlobby mit verhältnismässig grösstem Verlust
Schliesst man sowohl unbezahlte als auch bezahlte Mandate mit ein, ist der Verlust der Verbindungen der Branche Umwelt am bemerkenswertesten. Sie umfasst aktuell rund ein Drittel weniger Verbindungen ins Bundeshaus als zuvor. Das schlechte Abschneiden der Grünen und der GLP bei den nationalen Wahlen scheint hier mitunter ausschlaggebend für den deutlichen Verlust zu sein.
Allerdings betrifft der Verlust vor allem das Abtreten einiger Personen mit vielen Verbindungen zu Umweltgruppen. Wenn es um die Verteilung der Mandate im ganzen Parlament geht, sieht der Verlust ein wenig kleiner aus. Während in der letzten Legislaturperiode noch 68 Prozent des Parlaments Verbindungen zu Umweltlobbys aufwiesen, sind es aktuell noch rund 52 Prozent.
Auch die Lobbybranchen Gesundheit und Aussenpolitik haben einige Interessenbindungen verloren. Diese rangieren jedoch unter den grössten Lobbybranchen, die nach wie vor stark im Bundeshaus vertreten sind.
Umweltmandate sind seltener bezahlt
Längst nicht alle Verbindungen zu den Lobbybranchen sind dabei bezahlte Mandate. Gerade Umweltmandate werden beispielsweise seltener bezahlt. Es lohnt sich also, einzugrenzen, welche Lobbys sich ihren Einfluss kosten lassen. Denn viele Politiker und Politikerinnen in Bundesbern bessern ihr Einkommen mit ausserparlamentarischen Mandaten auf.
Am meisten bezahlte Mandate haben die Energie- und die Verkehrsbranche verloren, jeweils neun. Tatsächlich gibt es aber auch Lobbybranchen, die bereits zu Beginn des Legislaturwechsels gewonnen haben.
Dass das Parlament ländlicher geworden ist, bildet sich direkt bei der Stärkung der Landwirtschaftslobby ab. Die deutlichste Zunahme bezahlter Mandate zeigt sich aber bei der Lobby der Wirtschaft und Staatspolitik.
Wirtschaft, Gesundheit, Verkehr sind stärkste Lobbys
Die Wirtschaft bleibt denn auch mit Abstand die einflussreichste Lobby im Parlament, wenn man den Einfluss einer Lobbybranche anhand deren bezahlter Mandate misst. Schliesst man die unbezahlten Verbindungen mit ein, hat fast jede und jeder im Parlament – rund 95 Prozent – eine Interessenbindung in die Wirtschaft.
Zu den Branchen mit den meisten bezahlten Mandaten zählen zudem die Staatspolitik/Wirtschaft, Gesundheit, Verkehr und die Landwirtschaft.
Lobbygruppe öffentlicher Verkehr verliert am meisten
Lobbybranchen lassen sich in weitere Lobbygruppen aufteilen: Schlüsselt man die Branchen demnach in die einzelnen Lobbygruppen auf, zeigt sich, dass die Gruppe öffentlicher Verkehr am meisten bezahlte Mandate verloren hat.
Nicht an Einfluss verloren haben die Lobbygruppen im Bereich Energieversorgung, Tourismus und Spitäler.
Bürgerliche Parteien haben mehr bezahlte Mandate
Die Parteien mit den insgesamt meisten Lobbyverbindungen sind die Mitte (294 bezahlte Mandate) und die SVP (281 bezahlte Mandate). Beide konnten im Nationalrat Sitzgewinne verzeichnen (Nationalrat SVP +9, Mitte +1) und haben zum Start der neuen Legislatur entsprechend auch an bezahlten Mandaten zugelegt.
Darauf folgt die wirtschaftsnahe FDP, die zwar einen Nationalratssitz verloren hat, aber dennoch rund 250 bezahlte Verbindungen zu den Lobbys aufweist. Die zweitstärkste Partei, die SP, hat vergleichsweise deutlich weniger bezahlte Mandate inne.
Neugewählte werden erst von Lobbyisten umworben
Während die Ausgangslage auf Parteiebene kaum überrascht, bleibt die Mandatsverteilung der Neugewählten spannend. Denn das Anwerben der neuen Parlamentarierinnen und Parlamentarier durch Organisationen und Interessenverbände hat gerade erst begonnen und macht auch vor alteingesessenen nicht Halt. Es bleibt abzuwarten, welche Lobbys bis zum nächsten Jahr besonders erfolgreich sind, neue Politikerinnen und Politiker mit Mandaten und Interessenbindungen für sich zu gewinnen.