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Luftverteidigung Wie viele Lenkwaffen gibt es für eine Milliarde Franken?

Eine Milliarde Franken für Lenkwaffen. Was und wie viel bekommt man für diesen Betrag? Eine Spurensuche.

Darum geht es: Für die bodengestützte Luftabwehr und weitere Systeme soll die Schweiz rasch Munition beschaffen. Die zuständige Nationalratskommission will das Rüstungsprogramm 2025 entsprechend um eine Milliarde Franken ausbauen und hat einen entsprechenden Verpflichtungskredit beantragt. Das Geld soll zum Kauf von Munition für die Systeme bodengestützte Luftverteidigung (Bodluv) grösserer und mittlerer Reichweite sowie für Systeme für die indirekte Feuerunterstützung auf mittlere Distanz zur Verfügung stehen.

Bodluv mittlerer Reichweite im Test

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Ein Lastwagen mit Raketenwerfer steht auf einem Platz.
Legende: Ein Launcher des Luftverteidigungssystems IRIS-T SLM wie es die Schweizer Armee beschafft. KEYSTONE / DPA / Sebastian Gollnow

Von Ende März bis zum 11. April 2025 erprobte das Bundesamt für Rüstung Armasuisse den Radar für das neue System zur bodengestützten Luftverteidigung mittlerer Reichweite. 

Für Bodluv mittlerer Reichweite wurde im Rüstungsprogramm 2024 ein Verpflichtungskredit von 660 Millionen Franken bewilligt.

Stand im Beschaffungsprozess

Armasuisse beabsichtigt, für Bodluv mittlerer Reichweite vier oder fünf Systeme IRIS-T SLM des deutschen Herstellers Diehl Defence zu beschaffen. Die Verhandlungen seien in einer fortgeschrittenen Phase, die Vertragsunterzeichnung finde voraussichtlich im zweiten Quartal 2025 statt, teilt Armasuisse mit.

Projekt «Bodluv MR»

Beim Projekt «Bodluv MR» handelt es sich um ein Beschaffungsprojekt zur Erneuerung der Fliegerabwehr-Systeme der Schweizer Armee. Das System IRIS soll eine bestehende Fähigkeitslücke in der Abwehr von Abstandswaffen schliessen und die bodengestützte Luftverteidigung grösserer Reichweite mit dem System Patriot ergänzen.

Die zukünftige bodengestützte Luftverteidigung (Bodluv) ist Teil der integrierten Luftverteidigung (Integrated Air Defence, IAD).

Für diese Systeme sollen Lenkwaffen beschafft werden: Die Schweiz beschafft für die bodengestützte Luftverteidigung mittlerer Reichweite das deutsche System IRIS-T SLM. Mit IRIS können fliegende Ziele auf eine mittlere Distanz bis 40 Kilometer bekämpft werden: Flugzeuge, Hubschrauber, Marschflugkörper, Lenkwaffen oder ballistische Kurzstreckenraketen. Für die Luftverteidigung grösserer Reichweite beschafft die Schweiz das US-amerikanische Patriot-System von Raytheon Technologies. Patriot schützt vor Angriffen mit Flugzeugen, hochfliegenden Drohnen, Marschflugkörpern und Lenkwaffen bis in eine Höhe von über 12'000 Meter. Beide Systeme werden mit Lenkwaffen bestückt.

Eine Rakete fliegt durch den Himmel.
Legende: IRIS Lenkflugkörper des deutschen Herstellers Diehl Defence. Diehl Defence GmbH & Co. KG

So viel kostet eine einzelne IRIS-Rakete: Armasuisse teilt auf Anfrage von SRF mit: «Es gibt Stückpreise, aber darüber geben wir keine Auskunft. Generell kann beobachtet werden, dass die Preise seit Beginn des Jahrzehnts stark steigen. Als Gründe hierfür sehen wir die Inflation sowie insbesondere eine stark gestiegene Nachfrage.» Über die Preise dieser Lenkwaffen kursieren deshalb nur ungefähre Zahlen: Für die Lenkflugkörper IRIS-T SLM von Diehl Defence sind das Beträge zwischen 400'000 und 600'000 Euro. Pro Stück.

Quelle: Bundeswehr/DPA unbekanntes Flugobjekt Das Flugabwehrraketensystem Patriot Das mobile Patriot-System wird zur Abwehr von Flugzeugen, taktischen ballistischen Raketen und Marschflugkörpern eingesetzt. Leitstandbeobachtet gesamtenLuftraum, berechnetFlugbahnen, bis zu 50 Ziele gleichzeitigkontrollierbar 2 Raketenwerferfeuert Abfangrakete,Reichweite ca. 68km,5 Ziele gleichzeitigbekämpfbar 3 RadareinheiterkenntFlugobjekt 1 Information Abschussbefehl

So viel kostet eine einzelne Patriot-Rakete: Für das Patriot-System kauft die Schweiz zwei verschiedene Typen des gleichen Lenkwaffenmodells: Mit der Armeebotschaft 2022 wurde die PAC-2 GEM-T beschafft und im Folgejahr im Rahmen der Armeebotschaft 2023 die PAC-3 MSE. Der Stückpreis für die neuste Version dieser Raketen bewegt sich gemäss verschiedenen Angaben zwischen 3.7 und 5 Millionen Dollar. Pro Stück.

Zwei Militärlastwagen stehen auf einem Parkplatz.
Legende: Fahrzeuge zur bodengestützten Luftverteidigung Bodluv mittlerer Reichweite der Schweizer Armee in Thun. Keystone/ Peter Schneider

So viele Lenkwaffen gibt es für eine Milliarde: Wie viele Lenkwaffen beider Systeme bestellt sind und noch bestellt werden, dazu sagt Armasuisse nichts. Ausser: «Welche Lenkwaffentypen allfällig in welchen Stückzahlen beschafft werden würden, wird zu einem späteren Zeitpunkt durch den Bereich Verteidigung entschieden.» Und weiter: «Die Anzahl an Lenkwaffen, die beschafft werden, ist klassifiziert (also geheim).» Armasuisse gibt weder zur Stückzahl der Lenkwaffen noch zu den Stückpreisen etwas preis. Auch zu Lieferfristen macht das Bundesamt für Rüstung keine Angaben. Beschafft würde Kriegsmunition.

Indirekte Feuerunterstützung auf mittlere Distanz

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Die Schweiz kauft beim deutschen Rüstungskonzern KNDS das «Artillery Gun Module» AGM, welches sich auf den Piranha IV-Radpanzer bauen lässt.

Dieses AGM ist ein unbemanntes, ferngesteuertes Artilleriegeschütz und ersetzt die über fünfzigjährige Panzerhaubitze M-109.

Das System hat eine Reichweite der Geschosse von bis zu 50 Kilometern. Bestückt wird das AGM mit herkömmlichen Artilleriegeschossen, es kann aber auch Munition mit hoher Treffsicherheit abfeuern.

Auch Hersteller geben sich bedeckt: Raytheon Technologies schreibt: «Unfortunately I do not have any information to share at this time.» (Leider kann ich zu diesem Zeitpunkt keine Informationen weitergeben.) Diehl Defence aus Deutschland richtet aus: «Zu Konditionen, Preisen und Lieferfristen können wir keine Angaben machen, weil dies Gegenstand von vertraulichen Gesprächen mit Kunden ist.» Wie viel Munition sich für eine Milliarde Franken theoretisch beschaffen liesse, wie viele Lenkwaffen von welchem Hersteller in welcher Version, was die Stückpreise sind, dazu wird vor allem Eines: geschwiegen.

Echo der Zeit, 8.4.2025, 18 Uhr; sten

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