Mehr einschränken verlangen die einen, mehr lockern wollen die andern. Während die Impfungen auch in der Schweiz anlaufen, ist das Virus bereits in einer mutierten und offenbar ansteckenderen Form nachgewiesen.
Als Richtschnur für Massnahmen gilt vor allem der Reproduktionswert (R-Wert), der angibt, wie viele weitere Menschen eine infizierte Person ansteckt. Die aktuelle Diskussion über die Entwicklung des R-Werts seit den Verschärfungen vom 18. Dezember gehe allerdings am Wesentlichen vorbei, stellt SRF-Wissenschaftsredaktor Thomas Häusler fest.
Denn der R-Wert sei nur ein Indikator neben Fallzahlen, Sterbefällen und Spitalbelegung. «Alle sind immer noch hoch, und die Zahl der Todesfälle bleibt hartnäckig hoch.»
Die Zahl der Todesfälle bleibt hartnäckig hoch.
Kommt laut Häusler dazu, dass die Lage sehr unübersichtlich bleibt. So sei über die Festtage wenig getestet worden: «Niemand weiss, wie gut sich die Menschen an die Massnahmen gehalten haben. Das sind viele Unbekannte, die aus wissenschaftlicher Sicht Anlass zur Vorsicht geben.»
Mutierte Variante ist aufwändiger im Test
Am Dienstag warnte die Covid-Task-Force des Bundes vor der mutierten Corona-Variante, die vermutlich noch ansteckender ist. Doch ist die angestrebte konsequente Nachverfolgung von Infizierten zurzeit überhaupt möglich?
Um dies zu erreichen, müsste bei positiven Tests das Virus noch zusätzlich genauer analysiert werden, sagt Häusler. Zwar geschehe das in Schweizer Labors nun häufiger, aber wohl trotzdem zu wenig: «Beliebig hochfahren geht nicht. Dazu braucht es teure Geräte. Das ist ein Flaschenhals.»
Ebenso wichtig ist laut der wissenschaftlichen Taskforce ein intensives Contact Tracing, um die ursprünglichen Ansteckungsherde zu finden und um möglichst viele Übertragungsketten zu unterbrechen. Aber auch das sei sehr aufwändig, sagt Häusler, und bei den aktuell hohen Fallzahlen oft nicht möglich.
Wie gefährlich ist das mutierte Virus?
In Grossbritannien, wo das mutierte Virus erstmals nachgewiesen wurde, steigt die Zahl der Infizierten stark an. Allein am Dienstag waren es über 50'000 neue Fälle. Eine direkte Folge der Mutation? Laut Häusler ist zwar vieles noch unbekannt: «Aber es deuten einige Zeichen darauf hin, dass die mutierte Variante beim starken Anstieg eine wichtige Rolle spielt.»
Es deuten einige Zeichen darauf hin, dass die mutierte Variante beim starken Anstieg eine wichtige Rolle spielt.
So gehen die Forscher davon aus, dass sich das mutierte Virus um etwa 50 Prozent schneller ausbreitet. Sie fordern für Grossbritannien entsprechend schärfere Massnahmen, weil die bisherigen Schritte die Ausbreitung nicht stoppen konnten.
Dabei seien die britischen Massnahmen bereits strenger als jene in der Schweiz, merkt Häusler an: «Das mutierte Virus scheint zwar keine schwerere Krankheit auszulösen. Aber weil es sich schneller verbreitet, könnte es künftig deutlich mehr Tote geben – weil die Fallzahlen stark ansteigen, wenn man nicht gegensteuert.»
Briten passen Impfstrategie an
Grossbritannien hofft jetzt auf einen weiteren Impfstoff. Dieser arbeitet nicht mit der neuen, sogenannten mRNA-Technologie der auch in der Schweiz verbreichten Pfizer-Biontech-Vakzine, ist also quasi klassischer. Das heute von den Briten zugelassene Produkt von AstraZeneca sei gemäss klinischer Studie etwas weniger wirksam, sagt Häusler dazu. Aber angesichts der schwierigen Lage reagierten alle britischen Forscher bisher hocherfreut, weil ab sofort mehr Impfdosen bereitstünden.
Man impft erst einmal möglichst viele Menschen mit einer Dosis, um möglichst viele Risikopersonen zu schützen.
Die Briten fahren nun laut Häusler eine interessante Strategie: Zwar muss der Impfstoff zweimal im Abstand von einigen Wochen verabreicht werden. Aufgrund von Hinweisen, dass bereits eine Impfdosis vorübergehenden Schutz bietet, verschiebt man die Zweitimpfung aber etwas nach hinten: «Man impft erst einmal möglichst viele Menschen mit einer Dosis, um möglichst viele Risikopersonen zu schützen.»