Unter dem Solarexpress verstehen Politik und Medien tiefere politische Hürden und mehr Subventionen für die Förderung von alternativen Energien. So soll die Schweiz energiepolitisch unabhängiger vom Ausland und gleichzeitig sauberer werden. Die Bevölkerung scheint dies nicht zu überzeugen – an der Urne scheitern entsprechende Projekte regelmässig.
Leo Tuor ist Bündner Schriftsteller und ehemaliger Alphirt. Ihn überraschen diese Resultate nicht. Da helfe auch das viele Geld aus Bern nichts.
Lange hat man das verschlafen und plötzlich muss alles wie der Blitz gehen.
Tuor lebt mit seiner Familie im abgelegenen Val Sumvitg. Er hat unter anderem in Zürich und Berlin Philosophie studiert. Tuor beobachtet das Leben in den Bergen genau.
Solche Anlagen in die Bergregionen zu stellen, sei ein krasser Eingriff in die Landschaft, ja eine Verschandelung: «Die Bereitschaft ist vielfach nicht da.» Man frage sich, wieso nicht entlang der Autobahnen und Strassen mit dem Aufstellen von Solarpanels begonnen werden kann.
Gemeinden teilweise überfordert
Gilt also einfach das St. Florians-Prinzip: «nicht bei uns, sondern bei den anderen»? Oder ist es ein Stadt-Land-Problem? Auch er wisse, dass man in der Schweiz mehr Strom produzieren müsse, sagt Tuor.
Aber das Ziel müsse besser definiert werden. «Lange hat man das verschlafen und plötzlich muss alles wie der Blitz gehen.» Mit dieser Meinung ist Tuor nicht allein.
Es fehlt mir eine übergeordnete Planung.
Auch Rolf Weingartner, emertierter Professor der Uni Bern und Hydrologe, ist vom Solarexpress nicht überzeugt. Die Gemeinden seien teilweise mit den Projekten überfordert. «Es fehlt mir eine übergeordnete Planung.»
Bund soll Wettbewerb um Projekte lancieren
Karin Ingold, Professorin für Politikwissenschaft an der Uni Bern, geht noch einen Schritt weiter. Sie analysiert unter anderem genau solche Prozesse in der Umweltpolitik.
Der Bund müsse nicht nur die ganze Planung an die Hand nehmen, sondern einen richtigen Wettbewerb um diese Projekte lancieren, ihnen ein positives Image verschaffen, betont sie. Schliesslich hätten solche Anlagen durchaus auch etwas Faszinierendes, Futuristisches. Nicht für alle sei das eine Landschaftsverschandelung.
Recht gibt Ingold dem Schriftsteller Tuor in einem Punkt: Der Bund müsse mit gutem Beispiel vorangehen, indem er eben bei bundeseigener Infrastruktur, wie beispielsweise bei Autobahnen oder Schienen – möglichst rasch Solarpanels installiere. «Das ist als Signal ganz wichtig», sagt Ingold. So werde gezeigt, dass es dem Bund und der nationalen Politik ernst sei mit dem Solarexpress.
Bund soll Zepter übernehmen
Die Energiewende brauche Zeit – ganz besonders in der Schweiz, sagt der Hydrologe Weingartner und verweist auf die Wasserkraft. Er nennt als Beispiel die Erhöhung der Grimselstaumauer. Der jahrelange Widerstand sei verschwunden, nachdem der Bund das Zepter übernommen und einen runden Tisch dazu einberufen habe.
Auch die Politologin Ingold ist überzeugt, dass man die Energie- und Klimaziele erreichen werde. Anders sieht es Tuor: «Ich bin ein Pessimist und darum glaube ich, dass wir es nicht schaffen, wenn es so weitergeht.» Das Sparpotenzial sei riesig. Aber die Mehrheit der Bevölkerung sehe keine sofortige Notwendigkeit, sich einzuschränken, sagt Tuor.